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G20 bringt Digitalsteuer in Fahrt
Internetgewinne bleiben bislang meist steuerfrei - das soll sich ändern und zwar zuerst in der EU
Es ging auch um Grundsätzliches beim Treffen der Finanzminister und Notenbankpräsidenten aus den G20-Staaten, am Montag und Dienstag in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires: Wie reagiert die Steuerpolitik darauf, dass Wertschöpfung aus der realen Welt der Fabriken ins Internet abwandert? Und was können Staaten tun, die bisher nur geringe Einnahmen aus den üppigen Geschäften der digitalen Giganten ziehen?
Der neue Bundesfinanzminister Olaf Scholz erklärte dies auf seinem 15-stündigen Transatlantikflug in gewohnt umständlicher Manier: »Wir müssen sicherstellen, wenn ein Teil der Wertschöpfung digital stattfindet, dass das nicht dazu führt, dass die Grundlagen unseres Gemeinwesens nicht mehr aufrecht erhalten werden können.« Wohl mit Blick auf den Koalitionspartner fügte Scholz hinzu: »Dass wir relativ zügig darüber diskutieren, ist ein gutes Zeichen.« Der kommissarische SPD-Vorsitzende tat, als ob es nicht schon jahrelang Streit um geheime Steuer-deals und die sogenannte Google-Steuer gegeben hätte.
Schon vor dem G20-Treffen hatte die EU-Kommission durchsickern lassen, dass man notfalls auch ohne die Vereinigten Staaten Digitalkonzerne wie Google, Facebook und Twitter oder digitale Marktplätze wie Airbnb, Uber und Ebay besteuern könne. Am Mittwoch stellte Steuerkommissar Pierre Moscovici auf einer Pressekonferenz in Brüssel die dann doch in Teilen überraschenden Vorschläge vor. Danach sollen künftig Steuern in allen Ländern fällig werden, wo auch Umsätze entstehen. Brüssels konkreter Vorschlag: Internetunternehmen, die in der EU mindestens 50 Millionen Euro erwirtschaften, zahlen zukünftig pauschal drei Prozent Steuer auf ihre Umsätze. Dies werde zu - allerdings eher bescheidenen - Steuermehreinnahmen von zunächst fünf Milliarden Euro führen, schätzt Mos-covici. Dies sei aber nur als Übergangslösung gedacht.
Im internationalen Steuerrecht gilt bisher die Annahme, dass Gewinne nur dort entstehen können und folglich besteuert werden, wo ein Unternehmen auch eine »physische Präsenz«, also eine Betriebsstätte, unterhält. Bei Internetgeschäften gibt es diese aber oft nicht. Damit digitale und klassische Unternehmen gleichbehandelt werden, will die Kommission daher auch die »digitale Präsenz« besteuern - geradezu eine Revolution im Steuerrecht.
Ab 100 000 Nutzern in einem Land sollen dann Gewinne aus Werbung und der Weitergabe von Daten genau wie Erlöse aus dem Verkauf von Autos oder Schrauben in die normale Körperschaftsteuer einfließen. Über diese Digital-Gewinnsteuer werden die Staats- und Regierungschefs schon während des Abendessens auf ihrem EU-Gipfel am Donnerstag in Brüssel verhandeln, versprach Moscovici.
Als politisch heikel gilt das Thema, weil in Steuerfragen alle Mitgliedstaaten zustimmen müssen. Insbesondere Irland, Luxemburg und die Niederlande gelten als Kritiker des Vorstoßes. Diesem könnte daher ein Schicksal wie der französisch-deutschen Finanztransaktionssteuer drohen, die seit Jahren auf Eis liegt.
In Buenos Aires hatten Moscovici, Scholz und die anderen Teilnehmer die Google-Steuer auf globaler Ebene in Fahrt gebracht. »Begrüßt« wurde von der G20 ein Vorhaben der Industrieländerorganisation OECD, bis 2019 erste konkrete Vorschläge für eine globale Regelung zu unterbreiten. 2020 soll dann ein »konsensbasierter Beschluss« gefasst werden, heißt es in der Abschlusserklärung der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer.
Die OECD hatte vergangene Woche ihren 218 Seiten starken Zwischenbericht mit dem Titel »Herausforderungen für die Steuerpolitik durch die Digitalisierung« veröffentlicht, in dem Gewinner und Verlierer ganz offen beschrieben werden. Demnach profitieren vom jetzigen Zustand die Internetkonzerne, die ihre europäischen Zentralen zumeist in Irland ansiedelten, nachdem das Land sie mit niedrigen Steuersätzen und speziellen Deals angelockt hatte. Verlierer sind dagegen die Staaten. Auch die meisten der 110 OECD-Mitgliedsländer erzielen nur minimale Steuereinnahmen aus den Geschäften der multinationalen Internetgiganten, die vor allem in den USA und zunehmend in China ihre Zentralen haben.
Mehr als eine allgemeine Absichtserklärung lieferte das G20-Treffen nicht. Wie schnell es bei dem Thema vorangeht, bleibt abzuwarten - bei Steuerregeln für Großkonzerne steckt der fiskalische Teufel im Detail.
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