Die Blicke der Kinder

Episodenfilm: »Grenzenlos - Geschichten von Freiheit & Freundschaft«

  • Caroline M. Buck
  • Lesedauer: 2 Min.

Wie erzählt man Kindern, die Flucht und Lager erlebt haben, dass sie nicht allein sind in fremder Umwelt? Und wie macht man Kindern, die Flucht und Lager nicht erlebt haben, die Erfahrung zumindest entfernt begreiflich, ohne von Krieg und Gräueln zu sprechen? Möglichst ohne überhaupt zu sprechen, damit die Verständlichkeit gewahrt bleibt, über alle sprachlichen Grenzen hinweg?

»Grenzenlos - Geschichten von Freiheit & Freundschaft« ist ein Versuch, genau dies zu tun, und zwar mithilfe einer Reihe weitgehend wortloser Kurzfilme. »Missing Movies« heißt die Initiative, angestoßen vom Goethe-Institut, dem deutschen Kulturinstitut im Ausland. Sie könnte genauso gut »Displaced Children« heißen. In sieben Episoden (mit Lauflängen zwischen acht und zwölf Minuten) von sieben Regisseuren aus Syrien, Deutschland, Kolumbien und dem Iran, einige von ihnen mit eigener Fluchterfahrung, erzählt »Grenzenlos« vor allem von einem: dass die Fantasie von Kindern grenzenlos ist. Ganz anders als ihre Alltagswirklichkeit.

Verbunden werden die Kurzfilme durch Dokumentaraufnahmen aus Flüchtlingslagern in Jordanien, Libanon und Griechenland, auf 16-mm-Film festgehalten von Khaled Nawal aus Syrien. Die Trostlosigkeit dieser Aufnahmen aus dem Niemandsland wäre absolut, wären da nicht die Blicke der Kinder. Sie ist der braungraue Hintergrund, von dem sich die bunten fantasievollen Kurzfilme abheben.

Und sie heben tatsächlich ab, das ist ganz wörtlich zu nehmen: Ob es eine simple Lupe ist, die einem Mädchen in der Ferne hilft, die Einsamkeit zu ertragen, sich die reduzierte Umwelt ein wenig spaßiger und farbiger zu gestalten - und am Ende neue Freunde zu finden -, oder der Zeichentrickriese (der eher aussieht wie eine Riesin), mit dem ein zottelhaariges Kind mit einem verheerend herzergreifenden Lächeln sich wegfantasiert aus einer tristen Dachlandschaft mit unverbaubarem Blick auf die graubraune Großstadt, oder die Erinnerung an einen im Kriegsgebiet zurückgelassenen Kater, die einem anderen Kind die Kraft gibt, sich in seiner neuen Umgebung zu behaupten - dies alles verleiht Flügel.

Selten hat man einen Film gesehen, der so viel Leid und Entwurzelung in so kunterbunte, inspirierte, versöhnliche und dabei selten sentimentale Bilder packt.

Bleibt nur zu hoffen, dass ein paar Erwachsene den nächsten Schritt gehen und der lebensbejahenden Fantasie eine Entsprechung in der Realität ermöglichen.

»Grenzenlos - Geschichten von Freiheit & Freundschaft«, Deutschland 2017. Regie: Nazgol Emami, Diana Menestrey & Camilo Colmenares, Madeleine Dallmeyer, Johanna Bentz, Khaled Nawal, Sandra Dajani. 80 Min.

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