Das Elend der Textilfabriken

Der Weg zu sauberer Kleidung führt nur über Transparenz der Unternehmer

  • Knut Henkel
  • Lesedauer: 4 Min.

GoTransparent heißt die Kampagne der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, der »Kampagne für Saubere Kleidung« und des Forums Internationales Arbeitsrecht, die in den ersten Wochen des Jahres 2018 große Textilunternehmen zu mehr Transparenz aufforderten. 70.000 Unterschriften wurden gesammelt, Einzelhändler wie Armani, Primark, kik oder Esprit aufgesucht, andere angeschrieben. »Drei Tage nachdem wir die Unterschriften bei Primark in Köln in unserer goldenen Box abgegeben haben, hat das Unternehmen die Lieferkette preisgegeben und uns die Liste mit den Lieferanten geschickt. Das war ein großer Erfolg«, so Gisela Burckhardt, Textilexpertin und Vorsitzende von FEMNET, einem feministischen Verein, der sich für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte von Frauen weltweit einsetzt.

Die Liste der Lieferanten ist für Gewerkschaften, Nichtregierungsorganisationen und Aktivist*innen unabdingbar, um Markenunternehmen auf Arbeitsrechtsverletzungen in ihrer Lieferkette hinzuweisen und sie aufzufordern, diese abzustellen. Transparenz in der Lieferkette hilft, Situationen wie nach dem Einsturz des Rana-Plaza-Fabrikgebäudes in Bangladesch am 24. April 2013 zu vermeiden. Damals suchten Aktivist*innen in dem Schuttberg nach Einnähern, Schildern und Verpackungsutensilien, um Firmen zur Verantwortung ziehen zu können.

Erst dadurch und dank hartnäckiger Öffentlichkeitsarbeit war es möglich, die Unternehmen, die in dem achtstöckigen Fabrikgebäude produzieren ließen, dazu zu bewegen, in den Pensionsfonds für die Überlebenden und die Angehörigen der 1135 Toten einzuzahlen. »Parallel dazu wurde der Akkord eingeführt, der dafür sorgt, dass über 1600 Textilfabriken in Bangladesch regelmäßig auf Statik, bauliche Mängel und Brandschutz kontrolliert werden«, so Burckhardt. Ein Etappenerfolg zwar, mit dem sich jedoch immer noch nichts an den Arbeitsbedingungen, den Überstunden, der verweigerten Gewerkschaftsfreiheit, den niedrigen Löhnen und der Diskriminierung von Frauen geändert hat. Dafür engagiert sich die »Kampagne für saubere Kleidung«. Sie hält den Kontakt zu Unternehmen, zu Gewerkschaften und zu kritischen Nichtregierungsorganisationen in Bangladesch, Indien, China, Kambodscha oder der Türkei, wo unter andrem die Kleidung produziert wird.

Unstrittig ist, dass der Anteil von fairer Mode auf dem Weltmarkt langsam steigt, doch nicht immer ist klar, ob das Fairtrade-Siegel nur für die verwendete Baumwolle oder wirklich für das gesamte Produkt verliehen wurde. »Bisher gibt es nur drei, vier Unternehmen, die sich dazu bekannt haben, die gesamte Kette komplett fair gestalten zu wollen. Das ist noch Neuland«, so Burckhardt. Aber die Zahl der Unternehmen, die angefangen haben, ihre Lieferkette zu beleuchten und sie Stück für Stück neu und fair auszurichten, steigt.

Dazu gehören mehr als hundert Unternehmen, darunter bekannte Outdoorkleidung-Produzenten wie »Vaude« und »Jack Wolfskin« sowie der fair&öko-Pionier »Armed Angels«, die sich der holländischen »Fair Wear Stiftung« angeschlossen haben. »Die hat nicht nur das einzelne Produkt im Blick, sondern ganze Unternehmen. Sie prüft nicht nur den Lieferanten, sondern auch die einkaufende Firma«, erklärt Burckhardt. Zudem organisiert die in Amsterdam ansässige Stiftung detaillierte Audits in den Fabriken, informiert sich bei den Gewerkschaften und kritischen NGOs über die Verhältnisse vor Ort, überprüft aber auch die Erfüllung der im Vorjahr mit den Textilunternehmen vereinbarten Verbesserungen.

Kontinuierlich besser zu werden, ist der Ansatz. Ein Konzept, das nicht nur bei der »Kampagne für Saubere Kleidung« auf positive Resonanz trifft, sondern auch bei Unternehmen wie »Kings of Indigo«. Das kleine Label stehe für coole, faire und nachhaltige Mode, so Unternehmensgründer Tony Tonnaer, der sich auch Gedanken darüber macht, wie der Wasserverbrauch in der Produktion gedrosselt und der Anteil von recyceltem Material erhöht werden kann. In den Niederlanden hat sich das Amsterdamer Label eine Nische geschaffen und liefert auch nach Deutschland.

Dort hat nach der Katastrophe in dem Fabrikgebäude Rana Plaza Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) das »Bündnis für nachhaltige Textilien« initiiert, welches zum Ziel hat, die Arbeitsbedingungen im Textilsektor weltweit zu verbessern - vom Anbau der Baumwolle bis zum Verkaufstresen in Berlin. 180 Mitglieder hat das Bündnis. »Darunter rund hundert Textilunternehmen, immerhin die Hälfte der Branche, die sich bereit erklärt, verbindliche Ziele zu formulieren, wie sie Sozial- und Umweltstandards in ihrer Lieferkette verbessern wollen. Die werden in einer Roadmap veröffentlicht, wodurch sie verbindlich werden«, schildert Gisela Burckhardt den Prozess.

Das Bündnis hat folgerichtig schon mehr erreicht, als Kritiker*innen noch vor drei Jahren für möglich gehalten hätten. Und der Bund wird zukünftig laut Müller endlich mit gutem Beispiel vorangehen: Bis 2020 soll mindestens die Hälfte der Textilien, die von den Ministerien für Krankenhäuser, Polizei, Armee und Co. hergestellt werden, nachhaltig beschafft werden, schreibt der Minister in einem Gastbeitrag für den »Bayernkurier«. Eine Forderung, die von den Gewerkschaften schon lange gestellt wurde, aber mit gehöriger Verzögerung nun Realität werden soll. Tatsächlich gibt es jedoch bereits eine steigende Zahl von kleinen Labels, die es anders machen - von »Armed Angels« in Köln über die Sockenhersteller »Minga Berlin« bis zu »Wunderwerk« aus Düsseldorf. Ein Indiz dafür, dass der Wandel langsam vorankommt.

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