Der Kampf hat sich gelohnt

Einige Vereine und viele Fußballfans haben sich erfolgreich für den Erhalt der 50+1-Regel eingesetzt

Ein knackiger Slogan ist gut, eine überzeugende Idee dahinter noch besser. »50+1 bleibt!« Das ist Name und Motto einer bundesweiten Faninitiative, die sich für den Erhalt der gleichnamigen Regel im deutschen Fußball einsetzt. Damit wird, kurz gesagt, bislang die Übernahme von Vereinen durch Investoren verhindert. »50+1 bleibt« war am Donnerstag auch bundesweit als Schlagzeile in fast allen Medien zu lesen. Die Deutsche Fußball Liga (DFL), die Mitgliederversammlung der 36 Erst- und Zweitligsten, hatte sich auf einen Antrag des FC St. Pauli mit 18 Ja-Stimmen für die Beibehaltung dieser Regel entschieden.

Die Nachricht kam für viele überraschend. Weil es prominente und hartnäckige Gegner dieser Regel gibt, beispielsweise den FC Bayern München oder den DFL-Geschäftsführer Christian Seifert. Und weil bei der Zusammenkunft in Frankfurt am Main eigentlich nur ein gemeinsamer Diskussionsprozess in Gang gesetzt werden sollte. Seifert selbst hatte noch davor angekündigt, dass mit einem Ergebnis erst Ende des Jahres gerechnet werden könne.

»Wir werden feiern«, freut sich Marius Kanzinger am Freitag auf das nahende Wochenende. Den Fan des SC Freiburg hat die Entscheidung nicht wirklich überrascht. Er ist einer von sechs Leuten, die den harten Kern der Faninitiative »50+1 bleibt!« bilden. Dahinter steht »eine sehr hohe sechsstellige Anzahl von Fußballfans«, erzählt Kanzinger. Mehr als 3000 Fanklubs von 156 Vereinen und alle großen Fanorganisationen haben der Gruppe »das Mandat gegeben«, für sie zu sprechen. Und zu handeln. Dazu gehörten viele Gespräche mit Vereinsverantwortlichen. Ganz bewusst seien sie auch direkt auf Klubs zugegangen, die noch kein klares Meinungsbild hatten. Die Resonanz war positiv. Und so übergab die Initiative guter Hoffnung am Donnerstag noch vor der Diskussionrunde der Profivereine dem DFL-Präsidenten Reinhard Rauball ein 30 Meter langes Plakat, unterzeichnet von allen Unterstützern.

Warum all dieser Stress, diese zusätzliche und ehrenamtliche Arbeit? Eine Antwort geben die Vereine, die sich schon im Vorfeld klar für den Erhalt der 50+1-Regel eingesetzt haben. Wie Dynamo Dresden. »Der Fußball in Deutschland gehört den Menschen, nicht den Investoren. Dynamo Dresden steht als demokratischer Traditionsverein für Mitbestimmung und Teilhabe seiner Mitglieder, und das wird auch in Zukunft weiterhin fester Bestandteil der Identität unseres Vereins bleiben. Wer sich für seinen Herzensverein engagieren will, kann dies als Sponsor immer und überall tun«, erläutert Dynamos Geschäftsführer Michael Born. Für den 1. FC Union Berlin erklärt Präsident Dirk Zingler: »Wir halten es für falsch, den Fußball immer weiter von den Menschen zu entfernen. Zustimmen würden wir nur einer Neufassung mit noch klareren Regeln, um den Einfluss von Investoren im deutschen Fußball zu begrenzen.«

Genau darum wird es in den kommenden Monaten gehen. Das negative Schlagwort der Regel-Befürworter lautet (noch mehr) Kommerzialisierung. Die Gegner von 50+1 führen den drohenden Verlust der internationalen Wettbewerbsfähigkeit an. So wie Christian Seifert. Der DFL-Geschäftsführer war am Donnerstag gleichermaßen überrascht und enttäuscht. »Wir werden sehen, ob es möglich ist, diese Regel und die damit verbundenen Ziele zu halten«, sagte er. In der Bedeutung fände er 50+1 überhöht. Und er baut, wie jeder Regelgegner, die Drohkulisse auf, dass sie einer wettbewerbsrechtlichen Klage beispielsweise vor dem Europäischen Gerichtshof wohl nicht standhalten würde.

Formal juristisch mag Seifert Recht haben. Die 50+1-Regel besagt in der DFL-Satzung: »Der Verein («Mutterverein») ist an der Gesellschaft mehrheitlich beteiligt («Kapitalgesellschaft»), wenn er über 50 Prozent der Stimmenanteile zuzüglich mindestens eines weiteren Stimmenanteils in der Versammlung der Anteilseigner verfügt.« Was kompliziert klingt, bedeutet: Bei als Kapitalgesellschaften ausgegliederten Profiabteilungen dürfen Investoren Anteile erwerben. Schnelles Geld für Klubs. Aber: 51 Prozent der Anteile, also Stimmenmehrheit und Entscheidungshoheit, müssen beim Verein bleiben.

Erstaunlich ist, wie oft von Verantwortlichen in Vereinen oder Verbänden für die Autonomie des Sports gekämpft wird. Diesmal nicht. Dabei wäre es auch in diesem Fall ein feines Argument für den Erhalt der 50+1-Regel. Denn Verbands- oder Vereinsrecht, im Sinne eines gesunden Wettbewerbs, gestatten sehr wohl Ausnahmen vom üblichen Treiben auf dem freien Markt. Wer aber Wachstum um jeden Preis will, lässt solche Möglichkeiten gern unbeachtet. Irritieren sollte diejenigen aber, dass trotz mehrfacher Androhung letztlich noch niemand gegen die Regel geklagt hat.

Verworrenes ist das Recht . Es geht auch einfach. Wenn Christian Seifert über Ziele spricht, die erreicht werden sollen, dann sind es die Ziele der 36 Erst- und Zweitligisten. Sie entscheiden. Denn die DFL ist lediglich die Vereinigung der Profiklubs, sie setzt nur um, was ihre Mitglieder auch wollen.

Das meint Marius Kanzinger, wenn er den vergangenen Donnerstag als »guten Tag für den Fußball« bezeichnet. »Die Vereine haben gezeigt, dass sie fähig und bereit sind, gegen die weitere Ausuferung der Kommerzialisierung anzugehen.« Und die Fans haben mit den bundesweiten Stadionprotesten und der gemeinsamen Initiative »50+1 bleibt!« gezeigt, dass sie nicht nur zahlende Kundschaft sein wollen. Dass sie nicht die dumpfe, pöbelnde oder prügelnde Masse sind, als die sie allzu oft beschrieben werden. Sie haben gezeigt, dass sie sinnvoll dafür kämpfen können, was sie lieben - den Sport, ihre Vereine und eine Fußballkultur, die es zu bewahren gilt. Abschreckende Beispiele von Fußballklubs, die von Investoren ruiniert worden sind, gibt es genug.

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