Wird eine Erbschaft auf Hartz IV angerechnet?

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In unserem Kiezklub hat es viele Unklarheiten im Falle einer Erbschaft gegeben. Wird einem Hartz-IV-Bezieher das Erbe auf seine Hartz-IV-Leistung angerechnet?
Ursula Höft, Berlin

Grundsätzlich wird eine Erbschaft, die während des Bezuges von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II zufließt, im Rahmen der Einkommensanrechnung als sogenannte einmalige Einnahme bedarfsmindernd angerechnet. Eine Ausnahme hiervon besteht lediglich dann, wenn der Erbfall bereits vor der Beantragung der Grundsicherungsleistungen eingetreten ist. wie aus einem Urteil des Bundessozialgerichts (Az. B 14 AS 45/09) hervorgeht. In solchen Fällen ist die Erbschaft als Vermögen im Sinne des § 12 SGB II zu behandeln.

Sofern die Erbmasse den monatlichen Bedarf des Erben übersteigt, ist das im Rahmen der Erbschaft zufließende Einkommen als sogenannte einmalige Einnahme (§ 11 Abs. 3 SGB II) anzurechnen. Hierbei wird die Einnahme anteilig für grundsätzlich bis zu sechs Monate (in Ausnahmefällen bis zu zwölf Monate) mit einem entsprechenden Teilbetrag bedarfsmindernd als Einkommen angerechnet. Die Höhe der Hartz-IV-Leistungen verringert sich in dieser Zeit also entsprechend um den angerechneten Teilbetrag.

Kann der Erbe eine aus Sachwerten bestehende Erbschaft nicht zeitnah verwerten - also zu Geld machen -, kommt eine Erbringung der Leistungen als Darlehen gemäß § 24 Abs. 5 SGB II in Betracht. Hierbei kann der Leistungsträger gegebenenfalls Teile der Erbmasse als dingliche Sicherheit für die als Darlehen erbrachten Leistungen beanspruchen.

Natürlich ist die Möglichkeit zur Ausschlagung einer Erbschaft für Bezieher von Leistungen nach SGB II prinzipiell gegeben. Allerdings sind jene, die vorsätzlich oder grob fahrlässig die Voraussetzungen für einen Bezug von Leistungen nach dem SGB II herbeiführen, zum Ersatz der aus diesem Grund gezahlten Leistungen verpflichtet (§ 34 Abs. 1 SGB II).

Es ist davon abzuraten, dass der erbende Hartz-IV-Bezieher die Erbschaft zu Gunsten von in der Erbfolge nachrangigen Verwandten ausschlägt, die selbst keine Leistungen nach dem SGB II beziehen. Auch hier haftet der Leistungsbezieher in Höhe der tatsächlich zu unrecht gezahlten Leistungen - auch dann, wenn ihm für die Ausschlagung der Erbschaft von den nachrangigen Erben nur ein Bruchteil »als Belohnung« für die Ausschlagung des Erbes ausgezahlt wird.

In der Praxis bedeutet dies, dass Erben, die ALG II beziehen, eine Erbschaft nur dann ohne weitere Konsequenzen ausschlagen können, wenn der Nachlasswert negativ ist, wenn man beispielsweise Schulden erbt oder die mit der Annahme des Erbes verbunden Kosten den Nachlasswert übersteigen.

Erben, die Leistungen nach dem SGB II beziehen, sind gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I verpflichtet, die Erbschaft unverzüglich dem zuständigem Leistungsträger (Jobcenter) anzuzeigen. Wird die rechtzeitige Anzeige der der Erbschaft unterlassen, handelt der Erbe ordnungswidrig, was wiederum mit einem Bußgeld geahndet werden kann (§ 63 Abs. 1 Nr. 4 SGB II). Zudem könnte im Einzelfall der Straftatbestand des Betrugs gemäß § 263 StGB erfüllt sein.

Kann ein Hartz-IV-Bezieher bei einer Erbschaft ein Schonvermögen geltend machen?

Robert Senkel, per E-Mail‹

Hier ist zunächst zu berücksichtigen, ob die Erbschaft als Einkommen oder als Vermögen zu sehen ist. Ob Geld aus einer Erbschaft als Einkommen oder als Vermögen zu sehen ist, richtet sich bei dem Bezug von ALG II nach der sogenannten Zuflusstheorie. Das ergibt sich nicht direkt aus dem Gesetz, ist jedoch langjährige Rechtsprechung. Einkommen im Sinne von § 11 SGB II ist alles, was man während des Bezugs von Leistungen wertmäßig dazu erhält, Vermögen im Sinne von § 12 SGB II ist alles, was man bei Beginn des Bezugs von Leistungen bereits hat. Dieses ist bislang einhellige Rechtsprechung. Soweit man also derzeit ALG II bezieht, gilt die Erbschaft als sogenannte einmalige Einnahme. Freibeträge wie beim Vermögen gibt es nicht. Vielmehr ist eine einmalige Einnahme gem. § 2 Absatz 4 ALG-II-Verordnung auf einen angemessenen Zeitraum - bis zu 12 Monate - aufzuteilen und man muss davon seinen Lebensunterhalt bestreiten.

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