Häfen fürchten den Brexit
An der Nordsee sind die Logistiker in Sorge, einen der wichtigsten Kunden im Güterhandel zu verlieren
Angela Titzrath gibt sich optimistisch: »Der erfolgreiche Verlauf des Geschäftsjahres 2017 gibt uns Kraft und Auftrieb, weiter konsequent an der Umsetzung unserer ambitionierten Wachstumsziele zu arbeiten.« Für das laufende Jahr geht die Vorstandsvorsitzende der Hamburger Hafen- und Logistik AG (HHLA) von einem in etwa gleich hohen Containerumschlag aus. Noch. Das im Jahr 1885 gegründete und großenteils städtische Unternehmen wickelt heute rund zwei Drittel des Umschlags in Deutschlands größtem Hafen ab. Einer der wichtigsten Kunden des Hamburger Hafens ist auf Rang sechs Großbritannien. Mehr als 200 000 Container wurden 2017 für britische Firmen umgeschlagen. Ob dies so bleibt?
Ein Jahr vor dem geplanten Austritt des Vereinigten Königreiches aus der Europäischen Union sorgen sich viele kontinentale Häfen um ihre Zukunft. Die Hauptroute des Welthandels von Asien nach Europa führt nämlich über die sogenannte Nordrange mit Antwerpen, Rotterdam, Bremen und Hamburg. Von diesen »Hubs« (engl. Knotenpunkten) werden dann die britischen Inseln mit Laptops aus China, mit indischem Reis und auch deutschen Automobilen mit kleineren Frachtern versorgt. Das ist solange einfach, wie die industriell verödete Insel zum gemeinsamen Binnenmarkt gehört. Nun drohen Zollschranken, die den maritimen Verkehr mit einer Breitseite treffen könnten.
Den See-Brexit will die Organisation der Europäischen Häfen (ESPO) in Brüssel daher ganz weit oben auf der Liste der Themen sehen. In einem kürzlich veröffentlichten Strategiepapier fordert ESPO die EU-Kommission auf, den Seetransport in der zweiten Phase der Brexit-Verhandlungen »zu priorisieren«. Hafenbetreibern wie der HHLA empfiehlt die Lobby, rechtzeitig in neue Zollgebäude, Informationstechnik und Abfertigungsterminals zu investieren.
Die »Brexit Task Force« der EU hatte Ende Februar zum ersten Mal speziell für den Land- und Schiffsverkehr Informationen zusammengestellt. Sie zeigen, was den Unternehmen bevorstehen kann. Ein »harter« Ausstieg - ohne Verhandlungslösung - würde Britannien zu einem Drittland machen, mit dem die Verhältnisse im Seeverkehr gänzlich neu ausgehandelt werden müssten. Außerdem verlöre das Inselreich seine Stimme in der europäischen Sicherheitsagentur EMSA. Auch die gegenseitige Anerkennung von Reedereien, sogenannte Kabotagerechte und Qualifizierungsnachweise für Seeleute wären aufgehoben. Die maritime Wirtschaft hofft deshalb auf einen »weichen« Brexit, mit einer Verhandlungslösung, die vieles beim Alten belässt.
Indes sind nicht alle Seehäfen in Sorge. Innerhalb des Gesamtverbandes Schleswig-Holsteinischer Häfen ist der Brexit »kein Thema«, sagt Geschäftsführer Sven Wernecke. Anders als in den großen Verladehäfen der Nordrange spielen die Briten in Lübeck, Kiel und Puttgarden nur eine kleine Nebenrolle. Wie für andere Ostseehäfen ist die Entwicklung des Verhältnisses zu Russland weit beunruhigender.
Dagegen rechnet die HHLA den Brexit in ihrem Geschäftsbericht zu den Unsicherheiten, gleichauf mit der protektionistischen Zollpolitik des US-Präsidenten Donald Trump, »obwohl sich die fortgeschrittenen Volkswirtschaften voraussichtlich stabil fortentwickeln«. Um dennoch zu wachsen, kaufen die Hamburger im Osten ein: Am Montag unterschrieb HHLA-Chefin Titzrath den Kaufvertrag für den größten estnischen Terminalbetreiber Transiidikeskuse AS. Die Hamburger werden damit im Hafen der Hauptstadt Tallinn zum Marktführer im Containerverkehr.
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