Als Unwissender zu Gold

Mit einem Psychotrick führen die Trainer den Gewichtheber Nico Müller zum Europameistertitel

  • Franko Koitzsch, Bukarest
  • Lesedauer: 3 Min.

Nicht einmal Olympiasieger Matthias Steiner hat geschafft, was Nico Müller in Bukarest gelungen ist: den Europameistertitel der Gewichtheber im Zweikampf zu gewinnen. Der Obrigheimer ist der erste deutsche Athlet seit neun Jahren, der den Titel erobern konnte. Bisher letzter deutscher Europameister war Jürgen Spieß, der 2009 ebenfalls in Bukarest aufs oberste Treppchen steigen durfte. »Das ist der Hammer. Wir sind zurück«, meinte Frank Mantek, Sportdirektor des Bundesverbandes Deutscher Gewichtheber (BVDG) erfreut.

»Was ich da geschafft habe, wird mir wohl erst in den nächsten Tagen bewusst. Aber ich bin einfach glücklich«, sagte der Europameister eine Stunde nach dem Wettkampf und wartete auf die Blutentnahme bei der Dopingkontrolle. Der Sportsoldat weiß noch nicht, wo er die Medaillen in seinem neugebauten Haus präsentieren soll. »Bisher hatte ich das Problem nicht. 2010 in der Jugend hatte ich mal Bronze gewonnen. Danach nichts mehr.« Für Müller ist es ein Meilenstein Richtung Olympia in Tokio. »Da will ich unbedingt hin«, sagte er.

Der Stabsunteroffizier der Bundeswehr holte sich am Donnerstagabend den Titel mit einer Leistung von 346 (Reißen 155/Stoßen 191) Kilogramm in der 77-Kilo-Klasse. Zudem erhielt er Gold in der Teildisziplin Stoßen. Im Reißen wurde er Vierter. Alle drei Werte sind persönliche Bestleistungen in seinem Limit. Zwar hatte der 24-Jährige im jüngsten Bundesligawettkampf schon 350 (155/195) Kilo geschafft. Das geschah jedoch mit 1,7 Kilogramm Übergewicht.

Schon am Vortag waren die Deutschen erfolgreich. Da gewann der Berliner Robert Joachim in der 69-Kilo-Klasse mit 311 (138/173) Kilogramm die Silbermedaille im Zweikampf und die bronzene im Stoßen. »Ich bin begeistert. Es ist ein schönes Gefühl, den Jungs zuzusehen. Die Erfolge zeigen, dass wir nicht schlafen«, sagte Sportdirektor Mantek, der eine lange Durststrecke seiner Athleten hatte hinnehmen müssen. Mantek: »Ich bin stolz auf die Truppe.« Profitieren konnten die Deutschen von der einjährigen Dopingsperre für sieben Nationen: Armenien, Aserbaidschan, Belarus, Moldau, Russland, die Türkei und die Ukraine fehlen bei der EM.

Damit es mit Müller besser läuft als bei der völlig verpatzten WM im Vorjahr (Platz 13), hatten sich die Trainer einen Psycho-Trick einfallen lassen. Sie ließen ihn im Unklaren, wo er gerade im Wettkampfverlauf stand und was der nächste Versuch bedeuten könnte. »Ihn hemmt, wenn er weiß, er muss jetzt unbedingt diesen Versuch für einen vorderen Platz schaffen«, erklärte Bundestrainer David Kurch.

Je mehr Müller um die Bedeutung seines Tuns weiß, desto mehr erschreckt ihn das. Also verhängten die Trainer eine Informationssperre. So wusste der Schützling von Heimtrainer Oliver Caruso auch nicht, dass es um den Zweikampftitel ging, als er als letzter Heber seinen dritten Versuch im Stoßen absolvierte. »Heute habe ich gar nicht nachgedacht. Einfach rauf auf die Bühne und heben, was die Trainer festlegen«, berichtete der Champion erleichtert. »Ich wusste im letzten Versuch wirklich nicht, was auf dem Spiel stand. Das habe ich erst gemerkt, als alle auf mich zustürmten.« dpa/nd

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