Kontakt zur Gewerkschaft war verboten
Schwere Vorwürfe gegen Subunternehmen auf Niedersachsens Meyer-Werft
Mit Video- und Fotokameras stehen sie wieder einmal am Deich der Ems und wollen festhalten, wie ein neuer Kreuzfahrtriese die Docks der niedersächsischen Meyer-Werft in Richtung Nordsee verlässt: die Schaulustigen, die Gefallen finden an der »Norwegian Bliss«, einem rund 330 Meter langen Schiff, in dem 4000 Passagiere Platz haben in behaglichen Kabinen. Die Männer, die Schiffswände an Bord installierten, leben oft weit weniger komfortabel als die Kreuzfahrt-Klientel. Dies jedenfalls schildert einer der Rumänen, die über einen Berliner Subunternehmer als Werkvertragsarbeiter auf der Werft tätig waren.
Zusammen mit sieben Kollegen, so beschreibt der Mann seine Unterkunft dem Nachrichtenmagazin »Der Spiegel«, habe er in einem schimmeligen Dachzimmer hausen müssen. Aber dies, so besagt sein Rückblick auf fünfeinhalb Jahre Schufterei in Papenburg, war offenbar nicht das Schlimmste, was der Handwerker seiner Darstellung zufolge hat erdulden müssen. Das war vielmehr die krasse Ausbeutung durch den Subunternehmer.
Der, so hat es der Rumäne in einem Notizbuch festgehalten, habe ihm beispielsweise im Oktober 2016 von 292 Arbeitsstunden nur 160 bezahlt. Umgerechnet sei das ein Stundenlohn von rund sechs Euro gewesen. Kranken- und Urlaubsgeld seien nicht ausgezahlt worden, Vorarbeiter seien handgreiflich geworden, hätten ihn und Kollegen als »behinderte Bauern« beschimpft, so berichtet der Mann. Auch sei ihm der Kontakt zu Gewerkschaftern verboten worden, als er sich über das Lohngebaren des Subunternehmers informieren wollte.
Die Vorwürfe gegen diesen will die Werft nun »restlos aufklären«. Sollten sie auch nur annähernd zutreffen, werden sich die Papenburger von dem Berliner trennen, heißt es von der Geschäftsführung. Bislang aber habe dessen Firma alle TÜV-Kontrollverfahren bestanden, teilen die Schiffsbauer mit und kündigen an: Verstärkt wollen sie mit den Behörden zusammenwirken, wenn es darum geht, die Einhaltung der Arbeitsschutzbestimmungen zu überwachen.
Verantwortlich dafür, auch mit Blick auf Werkvertragsarbeiter, sei letztlich die Meyer-Werft, stellt die Industriegewerkschaft Metall klar. Sie fordert angesichts der Vorwürfe, es solle wieder eine »Task Force« eingesetzt werden, die sich mit dem Komplex auseinandersetzt. Eine ähnliche Arbeitsgruppe war 2013 gebildet worden, nachdem zwei rumänische, auf der Meyer-Werft arbeitende Werkvertragsarbeiter bei einem Brand im kaum zumutbaren Wohnquartier gestorben waren. Mittlerweile befasst sich das Zollamt Emden mit dem Subunternehmer, der bei Meyer rund 150 Menschen arbeiten lässt. Die »Beratungsstelle für mobile Beschäftigte« aus Oldenburg hat ihn wegen Verdachts des Sozialversicherungsbetrugs angezeigt, weil er weniger als die geleisteten Stunden seiner Leute abgerechnet habe.
»Überrascht« sei er angesichts dieser Vorwürfe, sagte Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) dem NDR. Die Landesregierung habe die Meyer-Werft gebeten, »die Vorgänge zu erläutern«. Und: »Wir werden die Sache aufklären.«
Der Rumäne indes ist wieder zu Hause. Als er das Zustandekommen seines Lohnes hinterfragte, so berichtet der Mann, habe ihn der Berliner Subunternehmer rausgeworfen. Bilanz des Arbeiters nach fünfeinhalb Jahren auf der Werft: Er sei oft behandelt worden wie ein Mensch dritter Klasse.
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