Konzerne schaffen Gesundheitsrisiken

70 Jahre nach ihrer Gründung wendet sich die WHO nicht übertragbaren Krankheiten zu

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) wurde diesen Samstag vor 70 Jahren in New York gegründet. Ihren Sitz hat sie in Genf. Ziel ist laut Statut die »Schaffung eines Höchstmaßes an Gesundheit für alle Völker«. Wie dieses Ziel erreicht werden soll, wo die Prioritäten liegen, diese Vorstellungen wandeln sich gerade. Zwar wird die WHO als Sonderorganisation der Vereinten Nationen auch weiterhin Epidemien bekämpfen, Impfkampagnen initiieren und Gesundheitssysteme stärken. Eine neu eingesetzte hochrangige Kommission zeigt jedoch, wo der Schwerpunkt der Aktivitäten in den nächsten Jahrzehnten liegen könnte.

Das Gremium widmet sich der Bekämpfung sogenannter »noncoummunicable diseases (NCD)«, darunter Herz- und Lungenleiden, Krebs und Diabetes. Schon heute gehen sieben von zehn Todesfällen weltweit auf das Konto dieser nicht übertragbaren, oft chronischen Krankheiten. Zu ihrer Entstehung tragen Tabakkonsum, schädlicher Alkoholgebrauch, ungesunde Ernährung und Bewegungsmangel bei. Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen sind zunehmend von dieser Entwicklung betroffen, hier tritt die Hälfte der vorzeitigen Todesfälle durch NCDs weltweit auf.

Von der Arbeit der Kommission berichtete kürzlich deren Mitglied Ilona Kickbusch in Berlin. Die Soziologin ist seit Jahren bei der WHO in Genf als Politikberaterin tätig. Aus ihrer Sicht ist es wichtig, dass für den Ansatz »Health in all Politics« (Deutsch: Gesundheit in allen Politikbereichen) tatsächlich alle gesellschaftlichen Entwicklungen in Bezug auf ihre Auswirkungen auf die Gesundheit überprüft werden. Sie richtet das Augenmerk unter anderem auf verpackte Lebensmittel, für die eine der größten Industrien weltweit zuständig ist.

Die Vermarktungsabsichten der Lebensmittelkonzerne richteten sich gerade in jüngster Zeit auf grundlegende Ressourcen, wie das Trinkwasser. In der Nahrungsmittelindustrie würden höchste Profite erzielt, was diese wiederum interessant für Investoren mache. Kickbusch nannte als Beispiel die brasilianische Investmentgesellschaft 3G Capital, die 2008 an der Bildung Anheuser-Busch InBev, der größten Brauereigruppe der Welt, beteiligte war, und zu der Burger King wie auch die 2015 fusionierte The Kraft Heinz Company gehören. Allein Letztere steht für 200 international vertriebene Lebensmittelmarken, darunter Ketchup und Frischkäse.

Kickbusch zeigte, dass der WHO immer klarer werde, dass Gesundheit von kommerziellen, sozialen, politischen Bedingungen und Umweltdeterminanten bestimmt werde. So läge es nahe, dass politische Ziele auch in Bezug auf besonders gesundheitsrelevante Produkte aufgestellt werden müssten. Kickbusch nannte hier Alkohol, Tabak, Lebensmittel, Autos - man denke nur an die aktuelle Dieselaffäre - und Medikamente. Die Herausforderungen würden dabei immer komplexer. Während Gesundheitspolitik sich gegen gesüßte Getränke wende, sollte das empfohlene Wasser aber auch nicht aus Plasteflaschen konsumiert werden, um Folgeschäden für Umwelt und Mensch zu vermeiden.

In Bezug auf die Softdrinks wies Kickbusch auf die Übernahme öffentlichen Raumes durch Unternehmen wie Coca Cola hin. Die Hersteller versuchten, sich etwa mit der Ausrichtung von Kindersportfesten ein gesundheitsbetontes Image zu geben. Sorge bereite in diesem Zusammenhang auch, dass etwa in den lateinamerikanischen Armenvierteln Frauen dafür ausgenutzt würden, die Geschmacksbildung im Sinne der Konzerne voranzutreiben. Als Händlerinnen sollten sie Kleinstportionen von Softdrinks verkaufen, so würde ihre Selbstständigkeit gefördert. Kickbusch erinnerte daran, dass früher auch Zigaretten mit ähnlichen Absichten einzeln verkauft wurden.

Doch gleichzeitig zeigte sich die Politikberaterin Kickbusch auch optimistisch, da einzelne Staaten bei der Verhängung zum Beispiel von Zuckersteuern schon vorangingen und sich teils erfolgreich mit der herstellenden Industrie auseinandersetzten.

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