Er grinste Freiheit
Jean Paul Belmondo wird 85
Was immer er spielte: Seine Frechheit hatte Geist, seine Gier Grazie, nie war er geplagt von einem festsitzend kümmerlichen Missmut. Er grinste Freiheit. Die gab er Filmen von Jean-Pierre Melville, Philippe de Broca, François Truffaut, Claude Sautet und Jean Luc Godard. Er gab - ohne sich hinzugeben. Die Nouvelle Vague, den einst neuen Film Frankreichs - er lebte diesen intellektuellen Aufbruch nicht, er spielte in ihm, jonglierte mit ihm. Er stellte sich mit ungekünstelter Leichtigkeit, erotischer Melancholie und vergnügter Angriffslust zur Verfügung. Mehr tat er nicht - und bezwang alle und alles.
Jean Paul Belmondos berückende Glaubwürdigkeit, seine Attraktivität kamen aus Körperzonen, die er zu schützen wusste gegen den Pseudo-Adel aus Vergrübelung und Ambitioniertheit. Er bildete ein Wirkungsfeld und wollte nicht unbedingt durch Bildung wirken. Er hielt ein kragenoffenes Hemd für ebenso wichtig wie eine offene Frage. Vielleicht sogar für wichtiger. Und auch engansitzende Jeans können ja ein weites Feld sein.
Das Codewort für die 1960er Jahre, Befreiung, nahm dieser Spieler als Lockruf für die Muskeln, sich zu spannen, und für die Beine, sich für Fluchten aller Art eine grundsolide Schnelligkeit anzutrainieren. Lange bevor Lola rannte, flitzte, jagte Belmondo durch die Filmgeschichte. Wahrlich ein sohlenheißer Straßenjunge, ein Streuner und Stromer; seine lockeren, leichten, vom Sinn her sehr luftigen »Abenteuer in Rio« vermag ich nicht geringer anzusehen als jenes mythisch gewordene, experimentelle Kinostück »Außer Atem« - Belmondo unvergesslich neben Jean Seberg,
Bildhauer wollte der 1933 Geborene werden, wie sein Vater, später dann Boxer. Die Schauspielschule absolvierte er lustlos, aber erfolgreich; das Lederne und Lässige, das Zerlebte und Zerfurchte legten sich ihm beizeiten übers Erscheinungsbild; er wurde zum Prototyp des Unbedingten, des Selbstsicheren, der schnell alle Gelegenheiten ergreifen konnte, weil er keine Gelegenheit ausließ, sich im Leben wohl zu fühlen. Und sei es als Gangster, etwa in »Borsalino« neben Alain Delon. Delon war immer das ewige bewegungsarme Gletschereis, Belmondo der freudvoll flirrende und lustvoll verglühende Sekundengott. In späten Jahren Theaterbetreiber und vorwiegend Bühnenspieler, gepeinigt von Herzoperationen und einem Schlaganfall - aber ungebrochen zäh.
Heute wird Jean Paul Belmondo 85 Jahre alt.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.