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  • Fußballnationalelf der Frauen

Mit Händen in den Hosentaschen

Deutsche Fußballerinnen gewinnen erstes Spiel unter dem neuen Trainer Horst Hrubesch

  • Max Zeising, Halle (Saale)
  • Lesedauer: 4 Min.

So richtig sicher konnte man sich nicht sein. Hat sich Horst Hrubesch verirrt? Ist er gekommen, um sich mit Freunden auf einem Amateursportplatz einen netten Samstag zu machen? Jedenfalls hätte der Trainer der deutschen Fußballnationalelf der Frauen, äußerlich betrachtet, auch ein ganz normaler Fan sein können. Er trug ein graues Sweatshirt und eine dunkle Jogginghose, die Hände hatte er in den Hosentaschen versteckt und nahm sie nur heraus, um sich die Nase zu putzen, zu klatschen oder kurz herumzuwinken. Hätte er dabei eine Bockwurst gegessen, man hätte es ihm nicht übel genommen.

Von seinem Kontrahenten, dem tschechischen Übungsleiter Karel Rada, der in Anzug und weißem Hemd dem Spiel folgte, unterschied sich Hrubesch ganz offensichtlich. Von seinem Kollegen bei der Männerauswahl, dem feinen Joachim Löw, ganz zu schweigen. So möchte man nach Hrubeschs Debüt als Nationaltrainer im WM-Qualifikationsspiel gegen Tschechien in Halle (Saale) mutmaßen: Vielleicht ist es genau diese legere, lockere Art, die dem deutschen Team in letzter Zeit gefehlt hat, und die es jetzt umso dringender braucht.

Gegen Tschechien wirkten die Spielerinnen nämlich noch ziemlich verkrampft. Zwar gewannen sie mit 4:0, viel mehr als Wille war aber noch nicht erkennbar. Sie leisteten sich viele Fehlpässe, im Aufbauspiel gab es einige Aussetzer, die gegen ein besseres Team auf jeden Fall zu Gegentoren und möglicherweise einer Niederlage geführt hätten. Die Krise, die spätestens mit dem frühen Ausscheiden bei der EM 2017 in den Niederlanden begann und mit dem letzten Platz beim SheBelieves-Cup im März in den USA sowie der darauf folgenden Entlassung von Steffi Jones als Trainerin ihren Höhepunkt erreichte, ist noch längst nicht überwunden.

Nach seinem Debütsieg musste Horst Hrubesch auf der Pressekonferenz erst einmal tief durchschnaufen - die Hände immer noch in den Hosentaschen. »Hat Spaß gemacht heute«, sagte er und meinte eher das im Spaß. Dass der echte Spaß am Sport wieder zurückkehrt, sei ihm schon wichtig. Und, dass »sie einfach spielen, einfach Fußball spielen«. Man merkt: Hrubesch denkt immer noch in »Manni-Bananenflanke-ich-Kopf-Tor«-Schemata, aber in der aktuellen, komplizierten Lage, werden sich die Verantwortlichen beim DFB gedacht haben, müsse es nicht falsch sein, einen unkompliziert denkenden Trainer an der Linie stehen zu haben. Und einen, der Erfahrung und Erfolge vorzuweisen hat.

Zumal Hrubesch die entscheidende Idee selbst hatte: Er stellte die 20-jährige Stürmerin Lea Schüller auf, die zuvor erst fünf Länderspiele absolviert hatte - und gegen Tschechien prompt alle vier Tore erzielte. Schon in der 4. Minute sorgte sie mit ihrem Führungstreffer für Erleichterung, als sie sich den Ball am gegnerischen Strafraum schnappte und mutig auf das Tor zusteuerte. Auch die anderen drei Tore erzielte sie mit großer Leichtigkeit und machte in dieser Hinsicht den Unterschied aus. Denn ihre Kolleginnen, das sah auch Horst Hrubesch so, »laufen alle noch mit schwerem Rucksack rum«. Wie sollte es auch anders sein, nach den letzten Misserfolgen, und bei den hohen Erwartungen. So war Lea Schüller die einzige deutsche Spielerin, die nach der Partie so etwas wie Freude ausstrahlte. Es dauerte einige Zeit, bis sie in der Mixed-Zone erschien - es hieß, sie müsse noch duschen. Als sie endlich auftauchte, hatte sie immer noch einen hochroten Kopf, wirkte verschüchtert und emotional total überwältigt. »Ich weiß nicht, was los war heute«, sagte sie und ließ durchblicken, dass sie vor dem Spiel mächtig aufgeregt war.

Nun wird es darauf ankommen, dass sich auch die anderen Spielerinnen steigern. Und, mindestens genauso wichtig, dass der Verband eine ansprechende langfristige Trainerlösung präsentiert. DFB-Chef Reinhard Grindel ließ sich diesbezüglich noch nicht in die Karten schauen: »Wir müssen abwarten, welchen Vorschlag uns die sportliche Leitung unterbreitet«, sagte er.

Auch neben dem Platz läuft also noch nicht alles rund. Doch zumindest steht jemand an der Seitenlinie, der das ganze Theater vergleichsweise locker zu nehmen scheint, den der DFB wegen seiner unkomplizierten Art im Moment gut gebrauchen kann.

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