Türkisch für Anfänger

  • Heiko Werning
  • Lesedauer: 3 Min.

Frau Celik, die Klassenlehrerin, berichtet auf dem Elternabend von der Möglichkeit freiwilligen Türkischunterrichtes. Weshalb sie nun Frau Öztürk ankündigt, die uns Informationen dazu geben wird. Wir horchen interessiert auf. Und gleich wieder weg. Denn Frau Öztürk beginnt umgehend, mit einem nicht enden wollenden Redeschwall auf uns einzuteufeln. Leider komplett auf Türkisch. Sicherlich, in der Klasse dürften auch türkischstämmige Familien sein. Aber noch mehr arabischstämmige, polnischstämmige, schwarzafrikanischstämmige. Sogar westfälisch- und schleswig-holsteinstämmige.

Nach ungefähr zehn Minuten frage ich mich, über was die Frau da eigentlich redet. Die Tagesgerichte aus dem Saray-Grill? Die Abendprogramme der Kulturvereine »nur für Mitglieder«? Eine Resolution zum Völkermord an den Armeniern? Wir wissen es nicht. Aber weil wir höfliche und tolerante Menschen sind, lassen wir sie einfach weiter ein Ü an das nächste reihen.

Nach zwanzig Minuten endet sie und schaut erwartungsvoll. Verwirrt blicken wir uns um. Sie sagt etwas, das wie eine Frage klingt. Wir schauen uns ratlos an. Frau Celik springt ein. Ob denn niemand Interesse habe? Nun fasst die Mutter von Güray sich ein Herz: »Woran denn?« Frau Celik guckt überrascht, dann fragt sie, wer denn überhaupt Türkisch spreche?

Es melden sich drei Elternteile. Frau Celik guckt etwas enttäuscht. Aber ob die denn nicht wenigstens Interesse hätten? Alle drei schütteln entschieden den Kopf. »Meine Tochter kann gut genug Türkisch«, sagt ein Vater, »Mein Junge hat genug mit Fußball zu tun«, sagt eine Mutter, »Türkisch interessiert uns nicht«, sagt die Dritte. Frau Celik übersetzt für Frau Öztürk, was eher zornig klingt. Dann will sie gehen.

Doch nun mischt sich die schleswig-holsteinische Fraktion ein. Die Mutter von Annalena ruft: »Annalena würde gerne Türkisch lernen. Wir hätten Interesse.« Milenas Vater pflichtet bei: »Ein paar Grundkenntnisse fänd ich für meine Tochter auch gut.« Frau Celik wehrt ab: »Tut mir leid«, sagt sie, »das geht nicht.« Der Türkisch-Unterricht, erfahren wir, wird vom türkischen Konsulat finanziert und richtet sich nur an hier lebende Türken. Annalenas Mutter schnappt nach Luft: »Sie lassen hier also an einer städtischen Schule Vertreter des türkischen Staates Allah weiß was für Propaganda verbreiten, während andere Kinder von dem Angebot, eine weitere Fremdsprache zu erlernen, einfach ausgeschlossen werden?« Frau Celik windet sich: »Berlin hat halt kein Geld. Und wenn das Konsulat es doch anbietet? Wenn einer von Ihnen einen Sanitärbetrieb hätte, würden wir es ja auch annehmen, wenn er kostenlos die Toiletten repariert.«

Vielleicht. Aber die dürfte dann ja wohl hoffentlich jedes Kind benutzen. Und die trichtern den Kindern auch nichts ein, sondern da können sie was rauslassen. Was mir erheblich sympathischer erscheint. Unseren türkischen Miteltern zum Glück auch. Es ist ja nicht so, dass es gar keine Hoffnung mehr gäbe.

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