Gelingt ein großer Wurf oder kommt doch nur Klein-Klein?
Reform der Zulassung zum Medizinstudium
Der Bund will die vom Bundesverfassungsgericht verlangte Reform der Zulassung zum Medizinstudium den Ländern überlassen.
Jährlich rund 11 000 Plätze für 50 000 Bewerber
Derzeit werden jährlich rund 11 000 der bis zu 50 000 Bewerber für ein Medizinstudium an den öffentlichen Hochschulen zuglassen. Nach einer Reform könnte die Zahl der Bewerber noch einmal steigen, sagen Experten. Denn man dürfte dann auch mit etwas schlechteren Noten bessere Chancen haben. Dass gute Bewerber abgewiesen werden müssen, daran werde sich nichts ändern.
Das Verfahren zur Vergabe von Medizinstudienplätzen soll jedoch anders werden. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hatte am 19. Dezember 2017 entschieden, dass es teils verfassungswidrig ist und bis Ende 2019 neu geregelt werden muss (siehe nd-ratgeber vom 17. Januar 2018).
Heute haben fast nur Einser-Abiturienten eine Chance. Ein Fünftel der Plätze wird an Bewerber mit einer Abinote von 1,0 bis 1,2 vergeben. Ein weiteres Fünftel wird nach Wartezeit von 14 bis 15 Semestern vergeben. Die übrigen 60 Prozent der Plätze können die Hochschulen in eigenen Auswahlverfahren vergeben, wobei die Abiturnote eine wichtige Rolle spielt. Das Bundesverfassungsgericht verlangte transparentere Verfahren, mehr Vergleichbarkeit der Abinoten und weniger Wartezeit.
KMK-Gremien beraten: Nur Anpassung an Staatsvertrag?
Ein Sprecher der Kultusministerkonferenz (KMK) sagte, die KMK-Gremien berieten derzeit über das weitere Vorgehen. Eine verbindliche Positionierung des Bundes sei abzuwarten. Aber vieles deute auf eine Anpassung des »Staatsvertrages über die Errichtung einer gemeinsamen Einrichtung für Hochschulzulassung« hin.
Wie der Zeitplan der Länder zeigt, wollen diese bis Juni 2018 den Entwurf für eine Änderung des Staatsvertrags erarbeiten. Der Bund will sich weitgehend heraushalten. Der im Urteil formulierte Regelungsauftrag richte sich nach dem Verständnis der Bundesregierung primär an die Länder, so das Bundesbildungsministerium.
Sollten die Länder bei der Überarbeitung ihres Vertrags in Verzug geraten, droht Chaos. Denn das für verfassungswidrig erklärte Zulassungsverfahren gilt ab 1. Januar 2020 nicht mehr. Ohne Neureglung setzt eine Klagewelle von Bewerbern ein.
Eine Vorlage für die Kultusminister der Länder zeigt, dass diese noch allerhand Klärungsbedarf haben, wie die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt werden. Entschieden werden müsse etwa, ob die Wartezeit begrenzt oder die bestehende Quote bei der Plätzevergabe nach Wartezeit ganz aufgehoben werden solle. Nötig seien »zeitnahe Richtungsentscheidungen«, heißt es in dem Länderpapier. Möglich seien aber auch Übergangsregelungen.
Vorschläge von Fakultäten und Medizinstudenten
Gewünscht wird allgemein ein großer Wurf und ein neues, robustes Verfahren statt Reparaturarbeiten und Klein-Klein. Innerhalb der Fakultäten gebe es viel Unzufriedenheit. So habe die Wartezeitquote eine hohe Abbrecherquote erzeugt. Sie müsse komplett abgeschafft werden. Angesichts der hohen Bewerberzahlen werde ein zentrales Auswahlverfahren gebraucht, zugleich müsse man den Hochschulen die Möglichkeit lassen, Studierende entsprechend ihrem Profil auszuwählen.
Ein Vorschlag von Medizin-Fakultäten und Medizinstudierenden sieht eine bundesweite Auswahl nach Abinote, Studierfähigkeit und praktische Erfahrung sowie einem Test vor. Die Hälfte der Plätze soll auf diese Weise vergeben werden, die andere über Auswahlgespräche der Hochschulen.
Bewerber sollen Kosten erstattet bekommen
Betroffene sind oft mit großen Belastungen konfrontiert, so das Deutsche Studentenwerk. Deswegen müssten Bewerber künftig Kosten erstattet bekommen, wenn sie zur Vorstellung zu mehreren Hochschulen reisen, sonst würden sozialschwächere Bewerber benachteiligt, weil sie sich das nicht leisten konnten.
Viele versuchten heute auch, mit einer Klage doch noch zu einem Studienplatz zu kommen. Dieser Weg stehe aber meist nur denen offen, die sich die Anwaltskosten leisten könnten.
Die Bundesärztekammer fordert, nach dem Zuwachs der Medizinstudienplätze in den vergangenen Jahren deren Zahl um weitere zehn Prozent zu steigern. dpa/nd
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