Aus der Mode: Spalierstehen für Männer

Die Formel 1 schafft die Grid-Girls ab, die Tour de France die Podium-Girls. Manche der Frauen sind empört

2017 hat die milliardenschwere Rennserie Formel 1 den Besitzer gewechselt. Und der neue Eigner, der US-Unterhaltungskonzern Liberty Media, hat zu Beginn der neuen Saison ein starkes Zeichen gegen Sexismus gesetzt: 2018 gibt es am Rand der Autorennen keine Grid-Girls mehr - jene jungen Frauen, die hübsch kostümiert in hochhackigen Schuhen die Startnummer präsentieren oder die Fahrer in den Boliden mit einem Schirm vor der Sonne schützen. »Der Brauch passt nicht zu unseren Werten und widerspricht den gesellschaftlichen Normen. Wir glauben nicht, dass er für unsere alten und neuen Fans relevant ist«, begründete Marketingchef Sean Bratches, die Entscheidung. Künftig sollen Grid-Kids zum Zuge kommen - Nachwuchsmotorsportler aus den Veranstalterländern.

Die mächtigen alten Männer in der Branche sind entsetzt: »Wie dumm kann man sein?«, fragte beispielsweise Niki Lauda, Aufsichtsratsvorsitzender des Mercedes-Teams. »Damit tut man der Formel 1 und vor allem auch den Frauen keinen Gefallen.« Manche der lokalen Rennveranstalter kündigten bereits an, die Frauen dennoch Spalier stehen zu lassen. So erzählte Monacos Automobilverbandschef Michel Boeri der Zeitung »Nice Matin«, er plane, die Startnummern von Grid-Kids präsentieren zu lassen. Hostessen sollten indes für PR-Zwecke trotzdem im Einsatz sein. »Unsere Hostessen absolvieren Model- und PR-Schulen. Sie treten während des Grand Prix bei Veranstaltungen auf, die dem Rahmen ihrer Ausbildung entsprechen. Und sie werden dafür bezahlt«, sagte Boeri.

Ähnliche Töne sind auch aus Russland zu vernehmen. Dmitri Kosak, stellvertretender Ministerpräsident und Chef des Formel-1-Rennens von Sotschi, findet, dass Kinder auf dem Grid nichts zu suchen haben. Die hätten schließlich Angst vor den Motoren. »Wir brauchen hier Erwachsene.« Frauen im Motorsport seien attraktiv und passend, führte Kosak auf einer Pressekonferenz in Moskau aus. »Und ganz nebenbei: Unsere Frauen sind die schönsten.« Falls man eine Einigung mit Liberty Media erreichen könne, wolle man in Sotschi auf jeden Fall die Tradition der Grid-Girls wiederbeleben.

Deren Fehlen beklagen auch etliche der Fahrer: »Ein paar heiße Mädels vor den Autos, das ist doch für die ganze Szene nur förderlich«, befand beispielsweise der deutsche Renault-Pilot Nico Hülkenberg flapsig gegenüber dem Magazin »No Sports«. Dies alles sei »ein Rückschritt in Sachen Showbusiness«, moserte der Rheinländer.

Unter den Grid-Girls selbst herrscht Unmut. Einige der Frauen, die zumeist als Model arbeiten, argumentieren, ihnen werde der Job genommen - von Feministinnen, so ihre Annahme: »Lächerlich, dass Frauen, die sagen, dass sie für Frauenrechte kämpfen, bestimmen, was andere tun sollten und was nicht, indem sie uns daran hindern, einen Job zu machen, den wir lieben und den wir stolz machen«, twitterte beispielsweise US-Grid-Girl Rebecca Cooper auf Twitter.

Die Britin Michelle Westby nennt ihren Ausschluss und den ihrer Kolleginnen eine Überreaktion: »Ich kann an einer Baustelle vorbeikommen und höre die gleichen Kommentare wie bei den Rennen, warum also plötzlich einen Job wegen unerwünschter männlicher Aufmerksamkeit verlieren? Das ist ein Witz. Was kommt als Nächstes?«

Doch die Formel-1-Besitzer wissen sich in guter Gesellschaft mit ihrem Verzicht auf den Einsatz von Frauen als schmückendes Beiwerk. So verkündete beispielsweise der Dartsverband PDC, künftig keine Walk-on-Girls mehr mehr zur Begleitung seiner Spitzenathleten zu entsenden. Und im Profiradsport könnten schon bald die Podium-Girls der Vergangenheit angehören: Die Spanien-Rundfahrt Vuelta hat 2017 mit der Tradition gebrochen, dass sich der Sieger von zwei Damen gleichzeitig Küsschen auf die Wange geben lässt. Nach einem Bericht der »Times« aus London werden auch bei bei der Tour de France 2018 keine »Tour-Hostessen« mehr im Einsatz sein. Der Veranstalter A.S.O. hat dies noch nicht bestätigt, die Annahme erscheint aber schlüssig: A.S.O. ist gleichzeitig auch der Ausrichter der Vuelta.

Auch in Deutschland ist das Thema mittlerweile präsent. Der Deutsche Fußball-Bund wird beim Pokalfinale dieses Jahr keine prominente Dame bitten, ein goldenes Kleid überzustreifen und so gewandet den Pokal durch das Berliner Olympiastadion zu tragen.

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