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Barrikaden auf Waldwegen
In Frankreich halten Auseinandersetzungen bei der Räumung des Flughafengeländes Notre-Dame-des-Landes an
Seit Montagmorgen um 3:30 Uhr ist es mit der Ruhe im besetzten Flughafengebiet Notre-Dame-des-Landes nördlich von Nantes vorbei. 2500 Gendarmen sollen das rund 20 Hektar große Gelände räumen. Stück für Stück arbeiten sich die Polizisten vor, setzen Tränengas und Gummigeschosse ein. Immer wieder treffen sie auf Gruppen an Barrikaden, Steine und Molotow-Cocktails fliegen. Festnahmen gibt es wenige, die Maßgabe ist, alle Gebäude nach und nach zu zerstören. 16 Besetzungen sind laut der Präfektin der Region Loire-Atlantique, Nicole Klein, bisher dem Bagger zum Opfer gefallen, darunter auch landwirtschaftliche Projekte wie eine Schäferei. Rund 40 Orte sollen nach Angaben der Polizei geräumt werden. Laut dem französischen Innenminister Gérard Collomb könnte die Räumung bis zum Ende der Woche andauern.
Wie viele Menschen aktuell vor Ort sind, ist schwer zu überblicken, 250 setzten sich am Montag zur Wehr, inzwischen gab es einen internationalen Aufruf, sie zu unterstützen: »Die nächsten Tage und Stunden entscheiden darüber, ob es in der Zukunft noch eine autonome Zone geben wird, in der wir konkrete Schritte in die Utopie gehen können«, heißt es auf der Internetseite »Zone a defendre« (ZAD).
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Der Aufruf scheint gehört worden zu sein. »Wir werden immer mehr«, zitiert »Liberation« eine Aktivistin. Am Dienstag und Mittwoch waren die Zusammenstöße laut Berichten heftiger als am Vortag. 28 Gendarmen wurden laut der Zeitung »Le Monde« verletzt, vier von ihnen sollen bei der Explosion einer ihrer eigenen Granaten verletzt worden sein. Laut dem medizinischen Team der Zadistes, wie die Bewohner des Geländes in Frankreich genannt werden, wurden etwa 30 Protestierer verletzt, mindestens drei von ihnen schwer.
Rund 200 Menschen hatten auf dem Gelände in den vergangenen zehn Jahren insgesamt 97 Häuser und Hütten gebaut. Sie fordern, dass die Regierung, die das Flughafenprojekt im Januar endgültig aufgegeben hat, ihnen einen Teil des zuvor vom Staat enteigneten Geländes überlässt. Viele haben hier in den Jahren des Widerstands biologische Landwirtschaft betrieben, regional vermarktet und Strukturen der Selbstversorgung aufgebaut. Es gab eine Bäckerei, eine Brauerei, einen Radiosender und einen regionalen Wochenmarkt. Diese alternative und nachhaltige Nutzung des Landes solle durch die Behörden respektiert und dadurch anerkannt werden, so die Bewohner, zu denen auch einige wenige Landwirte gehören, die sich geweigert haben, ihr Land zu verlassen.
2012 hatte die Regierung bereits einmal erfolglos versucht, das Gelände zu räumen. Unterstützt werden die Zadistes von Umweltorganisationen, Gewerkschaftern, anarchistischen und linken Gruppen. Der Vorsitzende von Greenpeace Frankreich, Jean-François Julliard, nannte die Räumung »unverantwortlich«.
Mehrere Abgeordnete fordern inzwischen, die Räumung auszusetzen. Matthieu Orphelin, LREM-Abgeordneter aus Maine-et-Loire, rief am Mittwoch zu einer »Pause in der Operation« der Evakuierung auf, um die »Zusammenstöße zu beenden« und den »Dialog wieder aufzunehmen«. Sein Parteikollege François-Michel Lambert aus Bouches-du-Rhône appellierte: »Lass uns aufhören, wir müssen immer den Weg zum Frieden finden, was auch immer der Konflikt sein mag.«
In zahlreichen Städten Frankreichs kam es in den vergangenen Tagen zu Demonstrationen und Rathausbesetzungen, in Nantes demonstrierten am Dienstag rund 3000 Menschen gegen die Räumung. für Samstag ist eine Großdemonstration in Nantes geplant. Am Sonntag sind Aktionen und Versammlungen auf dem ZAD-Gelände angekündigt. Auch international gab es Proteste.
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