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Ein Leitbild für neue Erfolge
Vor allem die Fußballerinnen sollen von der Strukturreform beim DFB profitieren
Die Zuversicht ist zurück. Die deutschen Fußballerinnen feierten noch ihren Pflichtsieg gegen die Gastgeberinnen aus Slowenien, da blickte Horst Hrubesch in Domzale schon in die Zukunft: »Die Mannschaft ist gut, sie hat die Qualität und wird das Spiel auch gewinnen.« Der Interimstrainer der DFB-Frauen sprach über die entscheidende Partie in der WM-Qualifikation am 1. September auf Island.
Im besten Fall ist Hrubesch selbst dann nicht mehr dabei. Bis Ende Mai will der Deutsche Fußball-Bund einen neuen Trainer präsentieren. Kurzfristig seien aber die beiden Spiele in der WM-Qualifikation das Wichtigste gewesen, meint Joti Chatzialexiou. Der 42-Jährige ist nach der Strukturreform beim DFB seit Januar »Sportlicher Leiter Nationalmannschaften«.
Die Entlassung von Bundestrainerin Steffi Jones im März fiel ebenso schon in seinen Kompetenzbereich wie die darauffolgende Berufung von Hrubesch. Beide Entscheidungen waren richtig. Jones hatte das Team nach dem Olympiasieg 2016 übernommen. Nach dem Viertelfinalaus bei der EM 2017, dem 2:3 gegen die Isländerinnen im vergangenen Oktober - die erste Niederlage nach 68 EM- und WM-Qualifikationsspielen - und einem enttäuschenden SheBelieves Cup Anfang März übergab sie ein vollkommen verunsichertes Team.
Wie viel Hrubesch in kurzer Zeit richtig gemacht hat, zeigen die Resultate. Während sich das Team unter Jones im Hinspiel der WM-Qualifikation zu einem 1:0 gegen Tschechien gequält hatte, siegte es am vergangenen Sonnabend mit 4:0. Mit dem gleichen Ergebnis wurden am Dienstag die Sloweninnen geschlagen.
Wie viel Potenzial Hrubesch entdeckt - oder Jones übersehen - hat, zeigen die Spiele. Die 21-jährige Lea Schüller ließ er von Beginn an spielen. Gegen Tschechien schoss die Stürmerin von der SGS Essen alle vier Tore. Weil vor allem der Spielaufbau unter Jones zu einem großen Problem geworden war, versetze Hrubesch die Mittelfeldspielerin Sara Doorsoun-Khajeh von der SGS Essen in die Innenverteidigung, die Potsdamer Angreiferin Svenja Huth ließ er rechts verteidigen. Die neu formierte Abwehr ließ gegen die Sloweninnen nicht nur keine Torchance zu, sondern trug zu einem sicheren und dabei auch sehr viel druckvollerem Aufbauspiel bei.
Joti Chatzialexiou ist das nicht genug. Das ist aber nicht der Grund, warum er froh sein wird, wenn Hrubesch schnellstmöglich die Verantwortung für die Frauen abgibt. Sondern: Der Sportliche Leiter denkt eben weiter als nur bis zum nächsten Spiel. Über allem steht ein Masterplan für neue Erfolge. Im Sommer 2016 präsentierte der DFB sein neues sportliches Leitbild. »Unser Weg« heißt es: Die »Deutschen Tugenden 2.0« - nicht mehr nur »Disziplin und Ehrgeiz«, sondern auch »Kommunikation, Teamgeist und Offenheit« - sollen mit einer einheitlichen »Spielvision« und der gemeinsamen »Ausbildungsvision« für Spieler, Trainer und Spezialisten die täglich praktizierte »Trainingsvision« für Kinder, Jugendliche und Erwachsene bestimmen.
Diesem Leitbild sollen jetzt auch die Frauen folgen. Und dafür sucht der DFB den richtigen Trainer. »Das richtige Trainerteam«, konkretisiert Chatzialexiou. Das ist ihm wichtig. Horst Hrubesch sucht mit. Der 66-Jährige wollte eh nur kurzfristig helfen. Sollte die Suche länger dauern, wird er aber auch gegen Island wieder auf der Bank sitzen. Das hat den Vorteil, dass der oder die neue Trainerin nicht gleich mit einem Entscheidungsspiel starten müsste. Und Hrubesch macht es ja auch ganz nach den Vorstellungen des DFB. Nicht nur der zwei Siege wegen. Er setzt auch die »Spielvision« des Verbandes um: »Das Spiel mit dem Ball und nicht gegen den Ball«, wie Chatzialexiou erläutert.
So viel frischen Wind Chatzialexiou auch versprühen mag, ein Neuling ist er keineswegs. Seit 15 Jahren arbeitet er beim DFB in verantwortlichen Positionen. Zwar musste er sich erst in den Frauenbereich einarbeiten, Mängel erkannte er aber sofort: »Wir haben in zwei getrennten Welten gelebt.« Nach der Strukturreform gilt beim Verband ein ganzheitlicher Ansatz: Die Frauen werden nicht mehr nur sich selbst überlassen. Das ist vor allem erst mal ein großer administrativer Aufwand. Konkretes Steigerungspotenzial hat Chatzialexiou schon im sportlichen Bereich erkannt: »In der Athletik haben wir enormen Optimierungsbedarf.« Weil andere Nationen dort sehr viel besser wären, bekommen jetzt auch die Nachwuchsteams eigene Fitnesstrainer.
Im Vertrauen auf die ewig währende Stärke der deutschen Fußballerinnen, wurden aber auch andere Bereiche vernachlässigt. »Wir müssen die Frauen wieder ein bisschen mehr in den Fokus rücken«, fordert Chatzialexiou und meint die Marketing- und Medienabteilungen des DFB.
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