Vorsicht, hier kommt ein Tabubruch!

Rap, Schunkelrock und der Musikpreis »Echo«

  • Thomas Blum
  • Lesedauer: 4 Min.

In einem Land, in dem eine rechtsradikale Partei im Bundestag mit Quatschbegriffen wie »Volkstod« um sich wirft und ungestraft die Verdienste der deutschen Wehrmacht loben darf, in einem Land, in dem von den sogenannten konservativen Parteien soeben ein »Heimatministerium« erfunden und eingeführt wurde, um jenen Rechtsradikalen zu zeigen, dass man die Deutschblütigen und den Mutterboden inniger liebt als sie, in einem Land, in dem täglich klafterweise antisemitische Drohbriefe verschickt werden und in dem der renommierte Suhrkampdichter Seit an Seit mit dem Leitartikler rassistische Aufrufe unterzeichnet, in einem solchen Land ist es kein Wunder, dass fühlende und denkende Menschen Angst davor haben, in die zurzeit vom Volk bevorzugte Populärmusik hineinzuhören, wo Arbeitsteilung herrscht: Bands wie Frei.Wild und Deutsch-Rapper versorgen die Jüngsten, feiste Blaskapellen und Bierzelt-Crooner die Älteren mit autoritär-reaktionärem Gedankengut.

Der »Echo« ist der alljährlich zu vergebende Preis der deutschen Musikbranche. Und deren von allerlei Tamtam und Klatschspaltengeschrei begleitete alljährlich öffentlich zelebrierte »Echo«-Preisverleihung ist traditionell eine Feier der eigenen Armseligkeit. Kein anderes Medienereignis des Jahres zeigt so freimütig, so schamlos und sogar mit einem gewissen Stolz den aktuellen Grad der Verblödung der Bevölkerung sowie der diese mit standardisiertem Erbaulichkeits- und Wohlfühlpop versorgenden Verblödungsindustrie.

Tatsächlich sind bei einer Echo-Verleihung unvermeidlich all jene austauschbaren Musikindustriegeschöpfe und Adabeis versammelt, die man im Alltag um der eigenen körperlichen und geistigen Unversehrtheit willen fortwährend aus seiner Wahrnehmung auszublenden versucht: Peter Maffay, Helene Fischer, die Kelly Family, Julia Engelmann, Kraftklub, die Kastelruther Spatzen usw.usf. Regelmäßig sind auch völkische Testosteronrockkapellen oder deutschnationale Schlagerfuzzis mit von der Partie. Musik, in der der tumbe Stolz auf die eigene Scholle abgefeiert oder die Welt als im Geheimen von Juden gesteuert imaginiert wird. Musik eben, die den deutschen Volksgeschmack spiegelt.

So ist es auch mit den »unbequemen« (»Spiegel Online«) Kulturbetriebsinsassen Kollegah und Farid Bang, die wiederholt durch antisemitische Äußerungen auffielen und die sich beruflich auf einem Feld betätigen, auf dem - um es einmal vorsichtig zu formulieren - ohnehin nicht die hellsten Leuchten unterwegs sind, dem deutschsprachigen Rap. In der allen Ernstes so bezeichneten Kategorie »HipHop/Urban National« wurde den beiden vorgestern ein Preis zugesprochen. Es seien »immer wieder deutsche Rapper - Biodeutsche und Nichtbiodeutsche - , bei denen«, was Antisemitismus angeht, »eine geradezu zwanghafte Fixierung auffällt«, so der Publizist und DJ Klaus Walter im Bayrischen Rundfunk.

Die nun von Medien, Behörden und diversen »Ethikräten« geführte Debatte über Kunstfreiheit und »geschmacklose«, frauenverachtende, schwulenfeindliche und antisemitische Texte im deutschen Rap wird derzeit nicht zum ersten Mal aufgeführt. Vermutlich wird sie wie üblich wenig bringen außer einer größeren Aufmerksamkeit für die Stammtischrapper.

Ähnlich wie es die AfD in der Politik tut, kurbeln auch die häufig ein ähnlich simples und autoritär strukturiertes Weltbild besitzenden Gangsta-Rapper mit kalkulierten »Tabubrüchen« und »Provokationen«, die tatsächlich keine sind, sondern vielmehr den hierzulande herrschenden reaktionären Konsens affirmieren, ihr Geschäft an. »Es geht ums Geld. Und gerappter Judenhass bringt Geld, das weiß Kollegah am besten«, kommentiert Klaus Walter. Kollegahs aktuelles Album kam so auf Platz 4 der deutschen Charts. Mit moralischen Anklagen und wohlmeinenden Appellen kommt man dieser Sorte AfD-Rapper nicht bei. Deutschland hat nun mal die Künstler, die es verdient.

In der Kategorie »Rock National« wurde indes die Schlagerkapelle Tote Hosen mit einem »Echo« geehrt. Dass ausgerechnet der bei jeder Gelegenheit pfäffische Phrasen absondernde sozialdemokratische Schunkelrocksänger Campino der einzige des Abends blieb, der die Rapper für ihre »frauenverachtenden, homophoben, rechtsextremen und antisemitischen Beleidigungen« kritisierte, gleichzeitig aber auch relativierend anmerkte, dass er »im Prinzip Provokation für gut und richtig« halte, wirft ein bezeichnendes Licht auf das gegenwärtige politische Klima in diesem Land.

Torsun Burckhardt, der Sänger der antifaschistischen Band Egotronic, kommentierte auf Facebook: »Echo ist, wenn am Holocaust-Gedenktag Antisemiten Preise gewinnen und Campino kritisch anmerkt, dass es gut ist, wenn man drüber spricht.«

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