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Gegen den Trend spielen
Warum Turbine Potsdam mehr denn je ein Vorbild im Fußball der Frauen ist
Der Glanz vergangener Tage ist etwas verblasst. Der Deutsche Fußball-Bund kündigt das reizvollste Duell am 17. Spieltag in der Frauen-Bundesliga am kommenden Sonntag dennoch ganz groß an: »Der Klassiker - 1. FFC Frankfurt gegen Turbine Potsdam«. Meistertitel haben beide seit sechs Jahren nicht mehr gewonnen. Und in der aktuellen Tabelle stehen sie auf Platz fünf und vier.
Aber die Fußballerinnen brauchen wieder viel mehr Werbung. Das meint Joti Chatzialexiou und fordert dabei vor allem auch die »Medien- und Marketingabteilungen des DFB«. Der 42-Jährige ist seit Januar Sportlicher Leiter Nationalmannschaften. Unter seiner Verantwortung soll der Fußball der Frauen in Deutschland neu geordnet werden. Um international nicht den Anschluss zu verlieren, werden gerade sportliche Konzepte erarbeitet. Die Bundesligisten warten gespannt darauf, was an Vorstellungen, Wünschen und Forderungen aus Frankfurt am Main auf sie zukommt.
In Potsdam ist man noch ganz entspannt. Denn bei Turbine machen sie einfach das, was sie schon immer gemacht haben: trotz finanziell sehr viel stärkerer Gegner ein konkurrenzfähiges Team an den Start bringen. Mit einem Sieg am Mittwochabend gegen den Tabellendritten SC Freiburg erhielt sich dieses Team laut Trainer Matthias Rudolph »die Minichance, am Ende vielleicht doch noch auf Platz zwei zu landen.« Den einzigen Treffer des Abends hatte Nationalspielerin Svenja Huth mit einem perfekten Freistoß aus 20 Metern in den Torwinkel erzielt.
Platz zwei in der Bundesliga führt in die Champions League, das haben die Potsdamerinnen zuletzt 2013 geschafft. Und das ist bei Turbine weiterhin ein wichtiges Ziel: als Einnahmequelle für den Verein und als Anreiz im Kampf um Spielerinnen. Aber da die nationale Konkurrenz mit dem VfL Wolfsburg und Bayern München gegenüber Turbine noch einige Wettbewerbsvorteile mehr hat als vor einigen Jahren noch der 1. FFC Frankfurt, muss etwas kleiner gedacht werden. »Die Champions League ist für Turbine keine Pflichtaufgabe«, sagt Rudolph.
Grundsätzlich ist Matthias Rudolph mit der Entwicklung seines Teams zufrieden. Es ist sein zweites Jahr als Cheftrainer. Wenn er aber ins Detail geht, dann wird sein Ehrgeiz deutlich. »Im vergangenen Jahr haben uns fünf Minuten zur Champions League gefehlt.« Erst zwei ganz späte Münchner Tore gegen die SGS Essen am letzten Spieltag ließen Turbine doch noch auf Platz drei zurückfallen.
In dieser Spielzeit beklagt er die vielen Punkteteilungen: »Zwei Unentschieden weniger und es wäre eine Riesensaison.« Sechs mal spielte Turbine schon Remis. Abgesehen davon liest sich die Bilanz hervorragend: nur eine Niederlage und elf Gegentore sowie 37 Treffer in 16 Spielen. »Bei den meisten Unentschieden waren wir auch deutlich besser als der Gegner, das zermürbt schon ein wenig«, gibt Rudolph zu. Sechs Saisonspiele bleiben noch, um es besser zu machen. Darunter ist auch das direkte Duell gegen den vier Punkte besser platzierten Tabellenzweiten FC Bayern.
Grundsätzlich zufrieden ist auch Turbines Präsident Rolf Kutzmutz. Denn Zweifel waren im Sommer 2016 nach dem Abschied von Vereinslegende Bernd Schröder schon da. »Der Übergang ist gelungen«, meint er: »Matthias Rudolph hat es geschafft die Mannschaft für sich zu gewinnen.« Und auch Schröder ist ja zurück - als Ehrenpräsident. Jetzt sitzen sie, wie am Donnerstagabend, wieder gemeinsam am Vereinstisch.
Etwas Überzeugungsarbeit musste Kutzmutz dafür schon leisten. Es war ihm wichtig. Weil Bernd Schröder immer noch das Gesicht des Vereins ist und gerade in Gesprächen mit Sponsoren oder politischen Entscheidungsträgern viel bewegen kann. Denn für Turbine gehe es nach wie vor darum, sich »weiter wirtschaftlich zu stabilisieren«, erzählt der Präsident. Weil es einerseits mit der Qualifikation für die Champions League immer schwieriger wird. Und weil andererseits auch in Potsdam die negativen Entwicklungen im Fußball der Frauen zu spüren sind. Gegen den SC Freiburg waren 1227 Fans gekommen. Insgesamt hat Turbine einen Zuschauerschnitt von 1400 - vor vier Jahren war er noch fast doppelt so hoch.
Trotzdem ist Turbine immer noch ein Zugpferd in der Bundesliga. Nur die Fußballerinnen des VfL Wolfsburg erfahren einen etwas höheren Zuspruch. Sonst haben nur noch der 1. FFC Frankfurt und die SGS Essen einen knapp vierstelligen Zuschauerschnitt. Der FC Bayern kommt gerade mal auf 500. Und Vereine wie Werder Bremen und der 1. FC Köln liegen im unteren dreistelligen Bereich.
Diese Entwicklung macht auch dem DFB Sorgen. Selbst die Spiele des Nationalteams wollen immer weniger Zuschauer live im Stadion sehen. Deshalb will der Verband neben Marketingkampagnen vor allem die sportliche Attraktivität verbessern - mit ganzheitlichen Ausbildungskonzepten im Nachwuchsbereich.
Auch hier ist Turbine Vorbild - seit Jahren. »Wir haben eine richtig gute Sportschule«, freut sich Trainer Matthias Rudolph. Fünf Spielerinnen, die gegen Freiburg zum Einsatz kamen waren erst 23 Jahre alt oder jünger. Der Altersdurchschnitt des gesamten Kaders liegt sogar unter 23 Jahren. Viele dieser Potsdamer Fußballerinnen spielen schon in den Nachwuchsteams des DFB, einige im A-Nationalteam.
Wie gut sie es also bei Turbine machen, zeigt der kommende Gegner. Noch vor einigen Jahren konnte der 1. FFC Frankfurt mit viel Geld seine Erfolge quasi kaufen. Gegen die Konkurrenz aus den Lizenzvereinen der Männer, FC Bayern München und VfL Wolfsburg, war der Klub im Wettbieten aber auch chancenlos. Jetzt muss Frankfurt auch auf die Jugend setzen - und hat den Anschluss an die Spitze verloren.
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