Das Ziel lautet Selbstbestimmung - die Frage lautet, wie
Beste Aussichten, stärkste Kraft zu werden, hat erneut die sozialdemokratisch orientierte Partei Siumut
Der Wahltag ist in Grönland ein ganz normaler Wochentag. Wie bei vielen Dingen im öffentlichen Leben folgt man auch hier dem dänischen Vorbild. Obwohl Grönland bereits seit 1953 keine dänische Kolonie mehr ist, dauerte es weitere 26 Jahre bis die Grönländer 1979 durch eine Volksabstimmung Autonomiestatus erlangten und damit erstmals ein eigenes Parlament wählen sowie eine inländische Regierung bilden konnten.
Wahlberechtigt ist jeder dänische Staatsbürger über 18 Jahre. Grönländer wie Dänen dürfen an die Wahlurne treten, sofern sie länger als sechs Monate mit festem Wohnsitz im Lande registriert sind. Die 12 000 Grönländer, die permanent in Dänemark leben, immerhin mehr als ein Fünftel aller Grönländer, sind dagegen nicht wahlberechtigt.
Den rund 40 000 Wählern bietet sich dieses Mal eine noch größere Auswahl als 2014. Für die insgesamt sieben Parteien, die zur Wahl antreten, wurden ungewöhnlich viele Kandidaten aufgestellt. 231 Personen sind vom Wahlausschuss bestätigt worden, 157 Männer und 74 Frauen, das sind 39 mehr als bei den letzten Parlamentswahlen 2014. Jeder von ihnen will einen der 31 Sitze im Parlament erringen.
Gegenwärtig sind sechs Parteien im Parlament vertreten. Die besten Aussichten haben wie schon in den vergangenen zwei Jahrzehnten die sozialdemokratisch orientierte Siumut (dt.: Vorwärts) und die IA (Inuit Ataqatigiit; dt.: Gemeinschaft der Menschen). Beide Parteien sind, wie auch die liberale Atassut, aus Bewegungen der 70er Jahre für mehr Selbstbestimmung hervorgegangen.
Diese Parteien traten 1979 bei den ersten Wahlen an. Es ist allerdings bisher nur ein einziges Mal - von 2009 bis 2013 - gelungen, die Sozialdemokraten aus der führenden Position und damit zugleich vom Premierministerposten zu verdrängen. Die IA gewann damals mit klarem Abstand und regierte gemeinsam mit den sozialliberalen Demokraten und der konservativen Kattusseqatigitt. Mehrmals trennten nur wenige hundert Stimmen die beiden Hauptrivalen Siumut und IA, und ein ähnlich knappes Resultat wird auch dieses Mal erwartet. Erstmals mit dabei sind die erst Ende 2017 beziehungsweise Anfang 2018 gegründeten Parteien Nunatta Qitornai und Suleqatigiissitsisut.
Von manchen beklagt wird der erneut zu niedrige Frauenanteil bei den aufgestellten Kandidaten. Zur Zeit sind nur neun Frauen im Parlament vertreten, weniger als ein Drittel der Abgeordneten. Ausgeglichener zeigt sich das Verhältnis in der Regierung. Vier der neun Ministerposten sind durch Frauen repräsentiert. Leider spielt die sozialdemokratische Siumut, vielerorts einflussreichste Partei, hierbei keine positive Vorreiterrolle. Gerade mal ein Viertel ihrer Kandidaten sind Frauen. Bei der IA hingegen ist nahezu die Hälfte der Namen auf der Kandidatenliste weiblich. Für deren Vorsitzende Sara Olsvig ist das ein wichtiger Ausgangspunkt für eine bessere politische Balance. Politiker sollten die Bevölkerung und die Wirklichkeit widerspiegeln. Zu Sara Olsvigs Ressorts als Ministerin gehört neben Sozialem, Familie und Justiz auch die Gleichstellung.
Das Spektrum der Wahlthemen ist breit. Neben den ökonomischen Dauerbrennern wie der Verteilung der Fischfangquoten, der gewinnbringenden Erschließung der Bodenschätze und der Entwicklung des Tourismus - kommende Einnahmequellen, von denen man sich eine größere wirtschaftliche Unabhängigkeit von Dänemark erhofft - erhitzten sich die Gemüter vor allem an der Diskussion um die vollständige politische Unabhängigkeit des Landes.
Bereits im vergangenen Jahr waren einige bekannte Politiker so weit gegangen, 2021 (300. Jahrestag der Ankunft des dänisch-norwegischen Pfarrers Hans Egede, der die Kolonie Godthåb, heute Nuuk, gründete) zum Unabhängigkeitsjahr zu erklären. Davon haben inzwischen aber auch die Vorreiter wie Hans Enoksen, Vorsitzender der Partii Naleraq (dt.: Partei der Peilmarke) und Minister für Wirtschaft, Arbeitsmarkt, Handel und Energie, wieder Abstand genommen und eingeräumt, dass eine so kurzfristige Zielsetzung unrealistisch sei.
Übrigens findet man auf der Kandidatenliste viele deutschklingende Namen wie etwa Kleist, Kruse, Geisler oder Heilmann. Auch das ist ein Teil der grönländischen Geschichte. Die Herrnhuter Brüdergemeinde errichtete seit den 1730er Jahren mehrere Missionsstationen an der Westküste und taufte viele Grönländer auf ihnen geläufige Namen.
Neu-Herrnhut war die erste Missionsstation der Herrnhuter Brüdergemeine in Grönland. Sie ist heute Teil der Hauptstadt Nuuk. Der berühmteste der deutschen Missionare war Samuel Petrus Kleinschmidt (1814 bis 1886). Er gilt als Begründer des modernen Grönländisch als Schriftsprache.
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