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»So knapp war’s noch nie«
Kundgebung am Opel-Werk in Eisenach zwischen Kampfeslust und Resignation
All die Transparente und Schilder lassen keinen Zweifel daran aufkommen, dass ihre Träger gemeinsam für ihre Jobs streiten. »Kampf um jeden Arbeitsplatz!« steht auf einem Banner, das über den Opelanern weht, die am Dienstagnachmittag nach einer Betriebsversammlung vor das Tor des Werks Eisenach ziehen. Darunter heißt es: »Tarifverträge einhalten!« Es wird laut und lange geklatscht - von den Opelanern, die von den anderen deutschen Standorten zu dieser Kundgebung nach Westthüringen gekommen sind. Ganz unten auf diesem Transparent finden sich noch zwei Zeilen: »Stirbt Opel-Eisenach, dann stirbt die Region.«
Genau diese Botschaft ist es, die die Organisatoren von dieser Kundgebung mit 1400 Teilnehmern aussenden wollen - vor allem an das Management des französischen Automobilkonzerns PSA, der seit Sommer 2017 Eigentümer von Opel ist. Und mit dem die Arbeitnehmervertreter seit Längerem heftig über die Sanierungsschritte für den deutschen Autobauer streiten. Wobei sich der Gesamtbetriebsratsvorsitzende von Opel, Wolfgang Schäfer-Klug, gleichzeitig bemüht, den Konflikt nicht noch mehr anzuheizen. Nicht zufällig sagt Schäfer-Klug auf der Kundgebung überraschend positive Dinge. Demnach biete die Integration in die PSA-Welt die Chance »für einen nachhaltigen, erfolgreichen Opel«. Viele sind trotz des Streits froh, endlich vom US-Konzern General Motors fort zu sein.
Besonders die angereisten Opelaner aus den westdeutschen Standorten strotzen nur so vor Kampfeslust. Wenn man sie fragt, ob sie denn auch bereit seien, die Arbeitskämpfe bis zum Ende zu führen, bekräftigen sie das wortreich. »Wir lassen uns nicht auseinanderdividieren«, sagt ein Opelaner aus Kaiserslautern. »Wir sind alle Opel, wir alle zusammen«, fügt ein Kollege hinzu.
Die Linie, die die Arbeitnehmervertreter vorgeben, ist simpel: Die von PSA bei der Übernahme gemachten Zusagen müssen eingehalten werden. Die Beschäftigten hätten in der Vergangenheit schon genug Zugeständnisse gemacht. Mehr wird es mit den Beschäftigten nicht geben. Punkt.
Dieser Linie folgen auch all die Politiker, die nach Eisenach gekommen sind, um ihre Unterstützung für die Beschäftigten zu bekräftigten: Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (LINKE), Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) und Eisenachs Oberbürgermeisterin Katja Wolf (LINKE) tragen das große Transparent der Eisenacher Beschäftigten ebenso mit wie Wolfs Herausforderer Michael Klostermann (SPD) und die Chefs der Landtagsfraktionen von Rot-Rot-Grün und CDU - diese Politikerdichte ist ein Ausweis dafür, wie groß die Bedeutung des Werks für Thüringen insgesamt ist.
Auch eine kleine Gruppe um den Thüringer AfD-Fraktionschef Björn Höcke versucht, sich den Protesten anzuschließen. Zahlreiche IG-Metall-Mitglieder, darunter viele türkischstämmige Opelaner aus dem Westen, hindern sie aber daran, drängen Höcke und seine Gefolgsleute ab. Später schirmen sie sie mit großen Transparenten ab. Man wolle nicht, dass Extremisten die Opelaner für ihre Ziele instrumentalisierten, heißt es.
Gute Wünsche kommen derweil von außerhalb. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier forderte am Mittwoch in Berlin PSA zu einer langfristigen Sicherung der Opel-Standorte auf. Er habe dazu Gespräche mit PSA-Chef Carlos Tavares und Opel-Chef Michael Lohmüller geführt. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) machte PSA-Generalsekretär Grégoire Olivier bei einem Gespräch in Wiesbaden klar, dass es ein nachhaltiges Interesse am Erhalt der Standorte und Arbeitsplätze gebe.
Am Mittwochnachmittag debattierte der Thüringer Landtag auf Antrag der Koalitionsfraktionen LINKE, SPD und Grüne über die Situation der Fabrik in Eisenach, die mit 1800 Beschäftigten zu den großen Industriearbeitgebern im Freistaat gehört. Kritisiert wurde, dass PSA die erwartete Investitionsentscheidung vertagt hat.
Trotz aller Solidarität: In die vielen Rufe und Reden in Eisenach mischt sich auch Resignation. So steht ein Eisenacher Opelaner vor dem Werkstor, während seine Kollegen drinnen zur Betriebsversammlung zusammengekommen sind. Natürlich, sagt er, wolle er für Opel kämpfen. Unter GM habe man das regelmäßig getan. »Aber so knapp war’s noch nie. Jedenfalls nicht für das Werk hier.« Mehrere seiner Kollegen überlegten, ob sie nicht freiwillig aus dem Konzern scheiden sollten.
Und so endet dieser Kampftag von Eisenach wie schon viele in der Geschichte des Autobauers: mit der Gewissheit, dass die Opelaner in den nächsten Monaten werden weiterkämpfen müssen.
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