Repressionswelle gegen ELN-Sympathisanten
Kolumbiens Justiz geht gegen Aktivisten und Menschenrechtsverteidiger vor
Seit Tagen stehen Angehörige und Aktivist*innen rund um die Uhr vor dem Justizgebäude in Cali. Dort sitzen 33 Aktivist*innen und Menschenrechtsverteidiger*innen ein. Sie wurden aus dem Süden in einem Charterflieger und mit Hubschraubern eingeflogen und alle eskortiert von schwerbewaffneten Sondereinsatzkommandos. »Als wären es Schwerverbrecher«, sagt die Ehefrau eines ehemaligen Bürgermeisters. Ihm wird, wie allen anderen auch, Mitgliedschaft in der Guerilla vorgeworfen.
Den am vergangenen Freitag Festgenommenen aus den Departamentos Valle del Cauca und Nariño wird vorgeworfen, mit den bewaffneten Aufständischen des Nationalen Befreiungsheers (ELN) in Verbindung zu stehen. Die einzige Gemeinsamkeit der Personen ist, dass sie ins Nachbarland Ecuador gereist waren, um seitens der Zivilbevölkerung an den Friedensverhandlungen in der Hauptstadt Quito teilzunehmen. Dies allein reicht nun der Staatsanwaltschaft Kolumbiens aus, um die Personen wegen Rebellion anzuklagen. Seit Anfang 2017 laufen mit Unterbrechungen in Quito die Friedensverhandlungen zwischen ELN und der Regierung aus Bogotá. Die Teilnahme der Bevölkerung ist seitens der ELN ein grundlegendes Kriterium und wurde von der kolumbianischen Regierung garantiert und akzeptiert. »Die Festnahmen dienen der Einschüchterung der sozialen Bewegungen und der Torpedierung des Friedensprozesses mit der ELN durch die kolumbianische Regierung«, sagte Olga Araujo, Mitarbeiterin der Menschenrechtsorganisation Nomadesc in Cali, dem »nd«.
Die Verhafteten wurden unter fragwürdigen Umständen allesamt in den Justizpalast nach Cali gebracht, wo seit vergangenem Samstag die Verfahren laufen. Bei Verurteilung wegen Rebellion müssen die Angeklagten mit Haftstrafen von 20 Jahren und mehr rechnen. Sofern Details zu den Haftbefehlen bekannt wurden, sind die Inhaftierten neben Rebellion wegen Bereitschaft zu schweren Straftaten, unerlaubter Bereicherung, Herstellung und Handel mit Drogen sowie illegalem Waffenbesitz und widerrechtlicher Anwendung militärischer Gewalt angeklagt. Die Prozesse werden von den Vereinten Nationen beobachtet und begleitet, laut deren Angaben im vergangenen Jahr 121 Menschenrechtsverteidiger*innen und Sprecher*innen sozialer Bewegungen in Kolumbien ermordet wurden.
Sara Liliana Quiñonez Valencia und ihre Mutter Tulia Marys Valencia Quiñonez gehören der Afro-Organisation PCN an und lebten als Vertriebene zuletzt in Cali. Sie haben in Tumaco, der Grenzregion zu Ecuador, aktiv für die Rechte der Schwarzen gekämpft und erhielten deshalb bereits mehrfach Morddrohungen. Sie waren Mitglieder der lokalen Afro-Autonomieregierung, von der in den vergangenen Jahren bereits zwei Mitglieder ermordet wurden. An der südlichen Pazifikküste wurden weitere Aktivisten der Afrogemeinden festgenommen.
Soziale und politische Organisationen sowie die Familienangehörigen halten vor der Staatsanwaltschaft in Cali Mahnwachen ab. Sie fordern die sofortige Freilassung und rufen internationale Organisationen auf, Druck auf die kolumbianische Regierung auszuüben. Sie werten die Festnahmen als einen Angriff gegen soziale Bewegungen, die sich für den Friedensprozess einsetzen. »Diese Festnahmen sind eine politische Strategie der Delegitimierung der linken Opposition im Land. Die Regierung kriminalisiert den sozialen Protest«, sagte Fabian Laverde, Sprecher der landesweiten Organisation Congreso de los Pueblos gegenüber »nd«. Laut Staatsanwaltschaft soll es noch 36 anhängige Haftbefehle geben, die in den nächsten Tagen vollzogen werden.
Die Verhaftungen fanden kurz nach der Ankündigung Ecuadors statt, seinen Status als Garantiemacht der Friedensverhandlungen auszusetzen. Wie es mit ihnen weitergeht, steht in den Sternen.
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