Schandflecken
Dass im Hinterhaus einige Tage lang Sisal-Teppich auslag, war der Höhepunkt der bislang vergeblichen Versuche der Hausverwaltung, die frisch sanierte Wohnung vermietet zu bekommen. Dabei verstand ich die Eile nicht, schließlich hatte sie erst sechs Monate nach Auszug des Vormieters gemerkt, dass sie leerstand.
Dann aber ging es fix und die Hausverwaltung unternahm auch allerlei, um den Zugang zur Wohnung attraktiv erscheinen zu lassen. Zunächst begann sie, die Graffiti von der Haustür zu entfernen, was sie sonst alle drei Jahre machte. Jetzt ging es den Kritzeleien jede Woche an den Kragen. Brachte aber nicht viel, denn die frisch gestrichene Tür wirkte wie ein Magnet auf die nächtlichen Sprayer, die womöglich inzwischen Schlange standen, um ihr unleserliches Kürzel zu hinterlassen.
Ein ungleicher Kampf. Die Bewohner des Vorderhauses werden sich darauf keinen Reim gemacht haben können, aber wir vom Hinterhaus wussten, dass es um das »Kronjuwel« im Haus ging. Eine Wohnung, die mit altem Mietvertrag 300 Euro warm gekostet hatte und die jetzt für gute 700 Euro zu haben war. Aber das Interesse war gering. Ob es an der beschmierten Haustür lag, dass keiner einziehen wollte oder doch am Preis, der Wohnungssuchende hoffen ließ, wo anders im Wedding etwas günstigeres zu finden?
Eines Tages ließ ein Nachbar einen Farbeimer an der Haustür fallen, der daraufhin seinen Inhalt ergoss. Darüber war er so traurig, dass er nichts unternahm, sein Malheur zu beseitigen. Einige Nachbarn legten Papier aus und andere stapften durch die Farbe und verteilten sie ordentlich in den Fluren. Jetzt kümmerte sich die Hausverwaltung nicht nur um die Tür, sondern auch um die Flure und das gleich mit vier Mitarbeitern.
Mieter Heiko hatte die ziemlich heruntergekommene Ein-Raum-Wohnung im Erdgeschoß schon vor einigen Jahren gemietet, um dort seine Reptilienzucht unterzubringen. Er hatte sich aber nicht die Mühe gemacht, die Klingel an der Wohnungstür zu beschriften, weshalb die Wohnung auf den ersten Blick unbewohnt aussah. Das war der Hausverwaltung ein Dorn im Auge, weshalb sie kurzerhand einen Aufkleber mit einem fiktiven Namen auf die Klingel klebte, den Heiko aber wieder abriss. Aber es schien alles nichts zu helfen. Es gab ein paar Besichtigungen, aber die Wochen vergingen, ohne dass jemand einzog. Der Sisal-Teppich war längst verschwunden, was wir schade fanden, denn an die Zeit mit den dreißig Stufen Wilmersdorfer Schick hatten wir uns gewöhnt.
Erst vier Monate nach der Sanierung fand sich ein Studentenpärchen, das bereit war, die Wohnung zu beziehen. Vermutlich hatten sie reiche Eltern. Die jungen Leute nutzten die Wohnung kaum, weil sie Praktika im Ausland absolvierten. Für mich hatte das was Gutes. Es blieb ruhig in der Wohnung unter mir und das war mir um vieles lieber als ein Nachwuchs-DJ oder ein ständig streitendes Pärchen.
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