Rauchverbot, dann Kneipentod?

NRW: Gemischte Bilanz nach fünf Jahren

  • Josefine Kaukemüller, Essen
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein sicheres Todesurteil für die Kneipenkultur? Als am 1. Mai 2013 in Nordrhein-Westfalen in allen Kneipen und Gaststätten ein absolutes Rauchverbot in Kraft trat, waren die Sorgen vieler Gastronomieverbände und Gastwirte groß. Auch fünf Jahre später bleibt die hitzige Diskussion um das strikte Nichtraucherschutzgesetz in NRW - denn viele Kneipen kämpfen ums Überleben.

»Es ist eingetreten, wovon wir ausgegangen sind: Die klassischen, getränkeorientierten Kneipen hatten zu leiden«, sagt Thorsten Hellwig vom Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) NRW. Im Jahr nach dem Verbot hätten 81 Prozent der Schank- und Tanzbetriebe teils drastische Umsatzeinbußen beklagt. Bei Gastronomien mit Speiseangebot sei das Verbot problemloser angekommen. Für Hellwig ist die Lage der Kneipen im Land mehr als angespannt: »Ich sehe ein ganz deutliches Kneipensterben«, sagt er. Schon seit Jahren gehe die Zahl der Schankbetriebe in NRW stark zurück. 1994 waren es landesweit noch etwa 21 000 Betriebe, zwei Jahre nach dem absoluten Rauchverbot in NRW nur noch knapp über 8000 - Tendenz sinkend.

Gastwirt Brune ärgert sich

Heinrich Robens von der »Gaststätte Robens« in Dormagen ist sicher: »Die klassische Bierkneipe, die gibt es fast nicht mehr - und da hat das Rauchverbot ein Übriges zu getan.« Seit vielen Jahrzehnten ist Günter Brune Gastwirt in Münster. Über das absolute Rauchverbot ärgert er sich auch nach fünf Jahren noch. »Gerade die kleinen Bierkneipen haben massiv gelitten«, sagt Brune. Er weiß es aus eigener Erfahrung: Bis 2017 betrieb er die zweitkleinste Kneipe Münsters, die »Bit-Pünte«. »In so kleinen Gaststätten geht jede gemütliche Runde kaputt, wenn die Leute ständig zum Rauchen raus müssen«, klagt er.

Brune selbst nahm nach Inkrafttreten des absoluten Rauchverbotes einen konkreten Umsatzverlust am Bier wahr - zwischen 15 und 20 Prozent. »Manche kamen aus Protest nicht mehr«, ist er sicher.

Für die schwierige Lage klassischer Kneipen macht Hellwig vom DEHOGA aber nicht nur das Rauchverbot verantwortlich. »Die Gleichung Rauchverbot gleich Kneipentod geht so nicht auf«, sagt er. Klassische Schankwirtschaften hätten vor allem auch das Problem, dass die Nachfrage sich wandele und Gäste zunehmend nach Unterhaltung und Modernität suchten. »Im Zusammenhang wirkte das Rauchverbot dann aber schon wie ein gesetzlicher Brandbeschleuniger.« Dennoch: Nach fünf Jahren haben sich die NRW-Gastronomen ans absolute Rauchverbot gewöhnt, sagt Hellwig.

Kompromisse gewünscht

Doch auch aktuellen Umfragen zufolge bewegte das Rauchverbot die Deutschen nicht dazu, generell seltener in Gaststätten zu gehen. Den Eindruck hat auch Gastwirt Stephan Romberg. In Essen führt er die Lokale »Heimliche Liebe« und »Mittendrin«. »Ich kann nicht sagen, dass weniger Leute kommen.« Wirt Romberg fühlt sich bevormundet: »Ich wünsche mir Kompromisse, dass man sagt, bis 22 oder 23 Uhr ist das Rauchen strikt verboten - und ab da ist es dem Wirt überlassen, eine Kneipe als Raucherkneipe laufen zu lassen oder eben nicht.« Hellwig vom DEHOGA wagt eine gemischte Prognose für die nächsten rauchfreien Jahre in den nordrhein-westfälischen Kneipen: »Es wird für die Gastwirte zwar immer schwieriger. Aber funktionierende Kneipen wird es immer geben. Nur nicht so viele wie vor 30 Jahren.« dpa/nd

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