Vier Jahre ohne Lohn
Bauarbeiter von »Mall of Berlin« klagt gegen Bauherrn / Erste Klage vor Bundesarbeitsgericht eingereicht
Vielleicht wird Ovidiu Mandrila im Sommer 2019 um 4133 Euro reicher sein. Geld, das er im Herbst 2014 erarbeitet, aber nie erhalten hat. Mandrila hatte auf der Baustelle eines der größten Einkaufszentren Deutschlands gearbeitet: der »Mall of Berlin« am Leipziger Platz. Vier Jahre gerichtlicher Auseinandersetzungen liegen hinter ihm - zunächst ging er vor das Arbeitsgericht Berlin, dann vor das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg. Beide wiesen seine Klage ab. Doch damit will sich Mandrila nicht abfinden. Sein Anwalt Klaus Stähle hat Revision vor dem Bundesarbeitsgericht in Erfurt eingereicht. Bis sein Fall dort verhandelt wird, kann es aber noch ein Jahr dauern.
Rund 50 rumänische Bauarbeiter sollen auf der Baustelle gearbeitet, einen Teil ihres Lohns aber nie erhalten haben. Wochenlang versuchten sie, sich das Geld außergerichtlich zu erstreiten: durch Bitten, durch Arbeitsniederlegung, mit Bettlaken, die sie als Transparente nutzten, auf die sie ihre Lohnforderungen schrieben. Sie wurden hingehalten, weggeschickt, und weil sie zum Teil keine richtigen Verträge hatten, behaupteten die Unternehmer, sie seien nie auf der Baustelle tätig gewesen. Irgendwann bekam ein Teil von ihnen ein paar Hundert Euro in die Hand gedrückt - viel weniger als ihnen zustand.
Zehn Arbeiter klagten schließlich mit Unterstützung der Basisgewerkschaft FAU. Sieben erhielten recht, aber trotzdem kein Geld: Eines der beiden Subunternehmen, das sie beschäftigt hatte, meldete Insolvenz an, das andere konnte nicht haftbar gemacht werden, weil alle Firmenvertreter abgetaucht waren. Auch der Generalunternehmer Fettchenhauer meldete 2014 Insolvenz an.
Viele der Arbeiter versuchten gar nicht erst, an ihr Geld zu kommen. Einige kehrten nach Rumänien zurück, anderen war der Rechtsstreit zu mühsam. Nachzuweisen, dass sie tatsächlich auf der Baustelle gearbeitet hatten, war nicht immer leicht. Die meisten hatten keinen Arbeitsvertrag, sondern waren scheinselbstständig beschäftigt. Die wenigsten können unterschriebene Stundenzettel vorlegen. Mühsam mussten sie andere schriftliche Beweise zusammensuchen. Kaum einer kannte sich zu Arbeitsbeginn mit dem deutschen Recht aus, nur wenige sprachen Deutsch.
So ging es auch Mandrila. Er konnte vor Gericht nicht beweisen, ob und für wen er auf der Baustelle tätig war, seine Klagen wurden abgewiesen. Anders war es bei Nicolae Hurmuz. Er erhielt in den Klagen gegen beide Firmen recht. Geld sah aber auch er nicht. Deshalb geht er an diesem Donnerstag wieder vor Gericht. Dieses Mal gegen die HGHI Leipziger Platz GmbH & Co. KG, Bauherrin der »Mall of Berlin«, hinter der der Shoppingcenter-Baukönig Harald Huth steht. Das hatte auch sein Kollege Mandrila versucht - erfolglos. Für Hurmuz rechnet sich FAU-Anwalt Stähle bessere Erfolgschancen aus.
Ziel ist aber auch in diesem Fall die Klage vor dem Bundesarbeitsgericht. Nach bisheriger Rechtsprechung können bei ausbleibenden Zahlungen im Baugewerbe lediglich die Subunternehmen oder der Generalunternehmer haftbar gemacht werden. Seit Kurzem gilt das außerdem für Bauherren, die das Objekt anschließend verkaufen. Die HGHI Leipziger Platz aber vermietet Ladenflächen. »Wir wollen erreichen, dass sich die Rechtsprechung ändert«, sagt Stähle. Der Ausgang ist ungewiss. Stähle spricht von einem »offenen Rennen«.
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