Diskussion um Abbas hält an

Palästinenserpräsident sorgt mit Aussagen zur Ursache des Holocausts international für Empörung

  • Oliver Eberhardt, Jerusalem
  • Lesedauer: 3 Min.

Heute stelle man die Weichen für die Zukunft, hatte Saeb Erekat, Chefunterhändler der palästinensischen Regierung noch am Montagmittag gesagt: »Heute zeigen wir der Welt, dass es die Palästinensische Befreiungsorganisation noch gibt, dass sie wichtiger und stärker ist, als je zuvor.«

In Ramallah hatten vor allem Fernsehsender aus der arabischen Welt ihre Ausrüstung aufgebaut; Dutzende Reporter warteten auf den Beginn der Tagung des Palästinensischen Nationalrates, einer Art Parlament der PLO, das eigentlich alle zwei Jahre zusammen treten soll, aber schon seit 22 Jahren keine reguläre Sitzung mehr abgehalten hat. 2009 kam man zu einer Sondersitzung zusammen.

Aber als dann die Sitzung am Abend endlich begann, gab es auch für die arabischen Journalisten kaum etwas zu tun; statt zur Rede des palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas schalteten die Sender ins israelische Verteidigungsministerium nach Tel Aviv, wo Regierungschef Benjamin Netanjahu zeitgleich seine Pressekonferenz zum iranischen Atomprogramm abhielt - und zeigten damit sehr deutlich, welchen Stellenwert man den Palästinensern heutzutage im Nahostgeschehen einräumt: Immer wieder beklagten Redner in Verlauf der dreitägigen Tagung, die arabische Welt habe sich von der »palästinensischen Sache« abgewandt, suche lieber die Nähe zu Israel und den Vereinigten Staaten, als auf die palästinensische Unabhängigkeit hinzuarbeiten.

Dass die dreitägige Zusammenkunft dann mit einem Tag Verspätung ins Blickfeld der Weltöffentlichkeit rückte, lag allerdings nicht an richtungweisenden Entscheidungen, die ausblieben, oder der, obwohl es keine Gegenkandidaten gab, ausgesprochen langatmigen Wahl von mehr als 100 neuen, nach unbekannten Kriterien ausgewählten Delegierten, sondern an einer Reihe von Aussagen von Präsident Abbas, die international für Empörung sorgten: Kurz zusammen gefasst behauptete Abbas, Juden seien nicht wegen ihrer Religion Opfer von Verfolgung und Massakern geworden, sondern wegen ihrer »sozialen Funktion«, wobei er deutlich machte, dass er damit die »soziale Funktion im Zusammenhang mit Banken und Zinsen« meine.

Anstatt für Legitimität zu sorgen, habe Abbas dafür das letzte bisschen Glaubwürdigkeit, dass der Nationalrat noch gehabt habe, verspielt, kritisierte ein Kommentator des der saudischen Regierung nahestehenden Senders Al Arabiya, und auch andere Sender aus der arabischen Welt fanden sich nicht zu verständnisvollen Worten für Abbas bereit; auch dies ein Zeichen dafür, dass sich der Blick auf Israel und Juden zumindest bei den arabischen Regierungen, die diese Medien meist direkt oder indirekt kontrollieren, gewandelt hat.

Anders als in den palästinensischen Medien im Westjordanland, die mittlerweile von der palästinensischen Autonomiebehörde stark eingeschränkt werden: Dort tritt man nun vereint zur Ehrenrettung von Abbas an, macht eine »israelische Verschwörung« für die internationale Kritik verantwortlich.

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