- Berlin
- Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten
Abgang einer Gescheiterten
Da nach zwei Jahren immer noch Verwaltungschaos herrscht, muss die Chefin des Landesamtes für Flüchtlinge gehen
Wenn die Mitarbeiter des Landesamts für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) am Montag ihre Arbeit antreten, dann ohne ihre Chefin. Claudia Langeheine, seit August 2016 Präsidentin des LAF, verlässt das Haus wegen »unterschiedlicher Vorstellungen über die Weiterentwicklung« der Behörde, wie es in einer Mitteilung der zuständigen Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Soziales heißt.
Überrascht darüber zeigt sich niemand, der sich zu dem Thema äußern will. »Das lag schon länger in der Luft«, heißt es aus Behördenkreisen. Das Landesamt sei eine »failed institution«, also eine gescheiterte Behörde. Auch Roland Tremper, der bei ver.di für das Landesamt zuständig ist, sagt: »Im LAF sind viele Probleme noch nicht gelöst.« Es hapere sowohl bei den Personalstrukturen als auch den Organisationsstrukturen. Es fehle noch immer Personal, aber auch an einem Konzept, in welcher Abteilung wie viel Personal wofür eingesetzt werden solle. »In allen Abteilungen fühlen sich die Kollegen überfordert«, sagt Tremper. Er habe nicht den Eindruck, dass die Leitung dafür gesorgt habe, dass sich die Situation bessere. Überraschend sei: »Trotz dieser widrigen Bedingungen zeigen die Mitarbeiter weiterhin eine hohe Motivation.«
Die Zuständigkeit für Flüchtlingsangelegenheiten war 2016 aus dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) herausgelöst worden. Das LAGeSo war im Jahr zuvor ins Chaos gestürzt, weil die Mitarbeiter die große Zahl an Anträgen für neu ankommende Flüchtlinge nicht bewältigen konnten. Der damalige CDU-Sozialsenator Mario Czaja schuf daraufhin eine neue Behörde. Damit wollte er das Image seiner Verwaltung aufbessern und die Betreuung der Flüchtlinge wieder in den Griff bekommen.
Elke Breitenbach (LINKE) hatte noch in der Oppositionsrolle, aber auch später als Nachfolgerin von Czaja die Gründung der Behörde stets kritisiert. Dem »nd« sagte sie im Mai 2017: »Das LAF ist zu einer Unzeit gegründet worden, mit dem Ergebnis, dass jetzt LAF und LAGeSo geschwächt sind. Jetzt gibt es das LAF aber, und deshalb muss es gestärkt werden.« Das scheint unter Lange-heine nicht geklappt zu haben. Einer, der mit ihr zeitweise zusammengearbeitet hat, sagte dem »nd« unter der Bedingung, anonym zu bleiben, er bezweifele nicht, dass sie eine gute Führungskraft sei, aber nicht für eine Behörde im Aufbau.
Mit seiner Gründung zog das LAF in ein neues Gebäude in Charlottenburg und stockte die rund 85 Mitarbeiter, die beim LAGeSo noch für Flüchtlinge zuständig waren, auf rund 500 Stellen auf - aktuell sind davon 475 besetzt. Dennoch klagen die Mitarbeiter immer wieder über Überforderung. Nicht nur einer stellte eine sogenannte Überlastungsanzeige. Sie beklagten mangelnde Einarbeitung, chaotische Aktenführung, mangelnde Technik - und immer wieder: schlechte Kommunikation seitens der Leitung.
Im LAF und der Senatsverwaltung will man sich nicht weiter zur Situation in der Behörde und zur Personalie Langeheine äußern. Die Präsidentin und die Senatorin hätten sich darauf geeinigt, keine Details zur Entscheidung weiterzugeben, die in »gegenseitigem Einvernehmen« getroffen worden sei, sagt eine Sprecherin der Senatorin.
Kommissarisch soll Staatssekretär Daniel Tietze (LINKE) die Leitung des LAF übernehmen. »Zeitnah« soll es aber eine neue Führung geben. Die Behörde soll dann »in Zusammenarbeit mit dem neuen Präsidenten oder der neuen Präsidentin weiterentwickelt werden«, sagt die Sprecherin. Wer das sein soll, ist noch offen. Laut »Tagesspiegel« ist Ex-Staatssekretär Alexander Straßmeir im Gespräch - ein CDU-Mann. Das wollte Breitenbachs Sprecherin nicht bestätigen.
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