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Berlin: Der nüchterne Blick auf die Mietenkämpfe

Die Geschichte der jüngeren Berliner Mietenbewegung ist auch mit Niederlagen durchzogen

Damit »Mieten runter« Realität wird, braucht es neuen Aufwind in der Mieten-Bewegung.
Damit »Mieten runter« Realität wird, braucht es neuen Aufwind in der Mieten-Bewegung.

Die Fotogalerie Friedrichshain war am Mittwochabend bis auf den letzten Platz besetzt. Zur Debatte über die Frage »Was tun gegen Wohnungsnot und Verdrängung?« kamen diejenigen zusammen, die den Mieten-Widerstand seit Jahren vorantreiben.

So berichtete Nicole Lindner, wie sie von einer wohnungslosen Frau gebeten wurde, Ende Januar 2019 die erste Mahnwache gegen Obdachlosigkeit vor dem Roten Rathaus anzumelden. »Wir verbrachten bei Minustemperaturen die Nacht draußen. Das hat meinen Respekt vor allen Wohnungslosen gesteigert«, sagt Lindner. Auch dieses Jahr will sie wieder eine Mahnwache für Obdachlose vor dem Roten Rathaus anmelden. Sie soll am 30. März stattfinden.

Slam ist bei der Union für Obdachlosenrechte (UfO) aktiv. Der Aktivist unterstrich, dass Menschen ohne Wohnung nicht nur Hilfeempfänger*innen sind, sondern auch selbstbewusst ihre Rechte vertreten können. Doch er berichtete auch davon, dass er in den letzten Monaten mehrmals angegriffen worden sei, als er draußen geschlafen habe.

Viele Menschen verlieren ihre Wohnungen durch Zwangsräumungen, eine Folge von Mietschulden aber auch von Eigenbedarfskündigungen. Seit mehr als zehn Jahren gibt es in Berlin das Bündnis gegen Zwangsräumungen, für das Ricarda auf dem Podium sprach. Sie verwies auch auf die gesundheitlichen Folgen für die Betroffenen. Sie kenne viele Menschen, die vor oder nach einer Zwangsräumung krank geworden sind.

In den letzten Jahren gab es viele Proteste gegen Verdrängung und hohe Mieten. Darüber sprach Steffen Doebert vom Bündnis gegen Mietenwahnsinn und Verdrängung. Doebert beschrieb auch, wie die Corona-Pandemie die wachsenden Mieter*innenproteste in Berlin ausgebremst habe. Danach habe die Bewegung nicht mehr zur alten Stärke zurückgefunden.

Die Gründe liegen nicht nur in der Corona-Pandemie, wie Fabian von der Kreuzberger Stadtteilinitiative Bizim Kiez schilderte. Bizim Kiez hatte sich 2015 gegründet, nachdem im Kreuzberger Wrangelkiez ein Gemüseladen verdrängt werden sollte. Die Proteste sorgten dafür, dass der Laden noch einige Jahre weiterbestehen konnte. Danach gab der Betreiber das Geschäft aus privaten Gründen auf. Seit vielen Jahren stehen die Räume nun leer.

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»Wir hatten als Mieter*innen in den letzten Jahren wenige Erfolge, und die wurden uns schnell wieder genommen«, sagte Fabian. Er verwies auf den Mietendeckel, der für viele Stadtbewohner*innen ein realer Fortschritt war und dann von der Justiz gekippt wurde.

Wenige Jahre später wurde ebenfalls durch investorenfreundliche Gerichte die Möglichkeit des Vorverkaufsrechts so stark beschnitten, dass es heute kaum noch anwendbar ist. »In diesem Jahr droht sogar noch die Mietpreisbremse auszulaufen«, mahnt Fabian. Diese Beispiele würden für Enttäuschung sorgen – bei manchen auch für Resignation.

Doch auch neue Protestaktionen wurden angekündigt. So sollen am kommenden Samstag im Rahmen einer bundesweiten Aktion in ganz Berlin Flyer und Plakate mit der Parole »Mietendeckel jetzt!« verklebt werden. »Damit soll zwei Wochen vor den Bundestagswahlen der Fokus der politischen Debatte auf die Mietenkrise gerichtet werden, von der Millionen Menschen bundesweit betroffen sind«, erklärte Carmel Fuhg vom Bündnis »Mietendeckel jetzt« auf dem Podium.

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