Chef der Neos in Österreich tritt zurück

  • Manfred Maurer, Wien
  • Lesedauer: 2 Min.

Normalerweise treten Politiker, wenn überhaupt, nach Wahlniederlagen oder Skandalen zurück. Der Österreicher Matthias Strolz zählt nicht nur zu den skandalfreien Vertretern seiner Zunft, sondern auch zu den erfolgreichen. Der enttäuscht aus der ÖVP geschiedene ehemalige Rhetorik-Coach des heutigen Bundeskanzlers Sebastian Kurz hatte 2012 ein Projekt aus der Taufe gehoben, dem kein langes Leben prophezeit wurde. Über zu wenig Aufmerksamkeit konnte sich auch Strolz nicht beklagen, als er zusammen mit ein paar vom stockkonservativen Kurs ihrer Partei frustrierten Ex-ÖVP-Politikern, den Resten des Liberalen Forums und ein paar versprengten Sozialdemokraten sowie Grünen die Neos aus der Taufe hob. Das Interesse der Medien resultierte vor allem aus den bisweilen skurril anmutenden Auftritten eines neuen Politikertyps. Strolz inszenierte sich wie der Guru seiner pinken Truppe, ließ sich beim Umarmen von Bäumen filmen und mailte Journalisten nach einer Fasten-Woche unter dem Betreff »Herbst-Berührung« auch schon einmal ein selbst verfasstes Gedicht über die Kastanie.

So einer polarisiert. Vor allem der ÖVP war Strolz nicht egal. Denn seine Kritik am Mief der Großen Koalition traf in erster Linie die Konservativen, wo viele eine Modernisierung und Liberalisierung herbeisehnten und nicht wenige der pinken Versuchung erlagen. So schafften die Neos 2013 den Einzug ins Parlament, wo sie sich bis heute gehalten haben, wenn auch mit bescheidenen 5,3 Prozent. Seit 2014 sind die glühenden Europäer auch im EU-Parlament vertreten. Bei den vier Landtagswahlen in diesem Jahr schafften es die Neos in die Landtage von Niederösterreich, Tirol und Salzburg.

Weil die Neos gerade einen so guten Lauf hatten, schlug die Ankündigung einer »persönlichen Erklärung« für Montag, 12 Uhr, in Wien wie eine Bombe ein. Solche »persönlichen Erklärungen« bedeuten in der Regel Rücktritt. Und damit hatte niemand gerechnet. Doch tatsächlich: Strolz erklärte seinen Rückzug aus der Politik. »Ich folge dem Ruf meines Herzens«, sagte er unter Tränen. Er »liebe die Politik«, habe aber »sieben Jahre Aufbauarbeit in den Knochen«. Der Wechsel an der Spitze soll bis Ende Juni vollzogen sein. Als Favoriten für die Nachfolge werden die Wiener Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger, der stellvertretende Fraktionsobmann Nikolaus Scherak und der Neos-Mitgründer Veit Dengler genannt.

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