»Schikanepromenade« wird kein Gedenkort
Initiative kritisiert Umgang der Kulturverwaltung mit der ehemaligen »Zentralen Dienstelle für Juden«
Einen dauerhaften Gedenkort in der Kreuzberger Fontanepromenade 15 wird es offenbar nicht geben. Das geht aus einer Pressemitteilung der Kulturverwaltung hervor. Demnach seien die noch zur Verfügung stehenden Büroflächen »mangels Barrierefreiheit und mangels Kapazität, einschließlich der sanitären Anlagen«, für eine Nutzung als öffentlicher Erinnerungsort nicht geeignet, heißt es. Der Eigentümer sei zudem durch Bauinvestitionen gebunden, »die Flächen an einen umsatzsteuerpflichtigen Mieter zu vergeben«, heißt es weiter. Der Eigentümer sei jedoch bereit, einen Teil des Hauses an »ausgewählten Tagen im Jahr für die interessierte Öffentlichkeit zugänglich zu machen«.
Die Entscheidung wurde von der Initiative »Gedenkort Fontanepromenade 15« scharf kritisiert. Man fühle sich vom Senat im Stich gelassen, sagte Lothar Eberhardt gegenüber »nd«.
Anders als bislang versprochen will das Abgeordnetenhaus nun der Stiftung »Topographie des Terrors« und dem Dokumentationszentrum »NS-Zwangsarbeit« in den kommenden zwei Jahren Projektmittel in Höhe von 50 000 Euro pro Jahr zukommen lassen, mit dem Ziel, »insbesondere Kooperationsprojekte zum historischen Ort Fontanepromenade 15 zu ermöglichen«, wie es von der Kulturverwaltung heißt.
»Es ist ein Haus mit dunkler Geschichte«, beschreibt die Historikerin Dietlinde Peters die ehemalige »Zentrale Dienststelle für Juden« in der Fontanepromenade 15, bei Betroffenen auch »Schikanepromenade« genannt. Stundenlanges Warten und Demütigungen waren Alltag. Es sei »eine zivile Behörde mit Handlungsdiensten zur Selektion, Ausbeutung und Vernichtung« gewesen, beschreibt die Historikerin. Seit 2013 erinnert eine Gedenkstele vor dem Haus daran, dass hier zwischen 1938 und 1945 mindestens 26 000 jüdische BerlinerInnen zur Zwangsarbeit genötigt und später in Vernichtungslager deportiert wurden.
Seither gibt es Bestrebungen, dem Ort eine »angemessene Erinnerungskultur zukommen zu lassen«, sagt Eberhardt. Statt der nun bewilligten Mittel wünscht er sich ein dauerhaftes Mahnmal in der Fontanepromenade. Seit Frühjahr vergangenen Jahres arbeitet seine Initiative bereits an einem Gedenkkonzept für das Haus und erstritt sogar nach eigener Aussage den nun bewilligten Haushaltstitel. Doch nicht beantwortete Briefe, ein kurzfristig abgesagter Termin zwischen der Initiative und dem Leiter der Stiftung, Andreas Nachama, und der bis heute ausstehende Bewilligungsbescheid für den Gedenkort legten die Vermutung nahe, »dass man nie interessiert war, ein Gedenkkonzept zu initiieren«, so Eberhardt.
Bei der »Topographie des Terrors« hört man von all den Unstimmigkeiten unterdessen zum ersten Mal, weist die Vorwürfe der Initiative jedoch entschieden zurück. Auch die Kulturverwaltung weist auf nd-Anfrage die Vorwürfe zurück und verweist auf die eingangs erwähnte Pressemitteilung: »Die Stiftung Topographie des Terrors und das Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit sind nun beauftragt, in enger Abstimmung mit dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, im Rahmen der verfügbaren Mittel Maßnahmen für eine öffentliche, informative Markierung des Ortes sowie Möglichkeiten zur Bildungsarbeit zu entwickeln unter Einbeziehung der verschiedenen örtlichen Initiativen zur Fontanepromenade 15.«
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