Werbung

Paschinjan wird neuer Ministerpräsident

Parlament wählt im zweiten Anlauf einen neuen Ministerpräsidenten

  • Lesedauer: 3 Min.

Jerewan. Das Parlament in Jerewan wählte am Dienstag den Oppositionsführer Nikol Paschinjan zum neuen Ministerpräsidenten. 59 Abgeordnete stimmten für den 42-Jährigen, der in den vergangenen Wochen die Proteste gegen den langjährigen Staatschef Sersch Sarkissjan angeführt hatte. Paschinjan versprach vor der Abstimmung einen entschlossenen Kampf gegen Korruption und politische Verfolgung. Russland sicherte er eine Fortsetzung der engen Beziehungen zu.

Paschinjans Wahl gelang erst im zweiten Anlauf: Zwar hatte die bisher regierende Republikanische Partei keinen eigenen Kandidaten aufgestellt, sie versagte Paschinjan am 1. Mai aber die Unterstützung. Der Oppositionsführer rief daraufhin seine Anhänger zu massiven Protesten und einem Generalstreik auf. Die Republikanische Partei lenkte schließlich ein. Am Dienstag erhielt Paschinjan sechs mehr Stimmen als nötig.

Der Fraktionschef der Republikanischen Partei, Vagram Bagdasarjan, sagte vor der Abstimmung, seine Partei unterstütze Paschinjan lediglich, um die Stabilität des Landes zu sichern. »Wir haben unsere Position nicht geändert. Wir sind gegen die Kandidatur von Nikol Paschinjan, aber das wichtigste für uns ist die Stabilität des Landes«, sagte er.

Paschinjan bekräftigte vor der Abstimmung seine politischen Vorsätze: »Die erste Arbeit nach meiner Wahl wird es sein, für ein normales Leben in Armenien zu sorgen«, sagte er. »Es wird keine Korruption in Armenien geben. Armenien wird ein für alle Mal das Kapitel der politischen Verfolgung abschließen.«

Russland sicherte er eine Fortsetzung der engen Zusammenarbeit zu: »Die militärische Kooperation mit Russland ist wichtig für die Sicherheit unseres Landes«, sagte er mit Blick auf den langjährigen Konflikt mit dem Nachbarland Aserbaidschan. »Wir werden auch die Beziehungen zu europäischen Staaten und den USA weiterentwickeln, zum Iran und zu Georgien, zu China und Indien.«

Der russische Präsident Wladimir Putin gratulierte Paschinjan umgehend zum Wahlsieg. »Ich hoffe, dass Ihre Arbeit an der Spitze der Regierung zu einer Stärkung der freundschaftlichen und partnerschaftlichen Beziehungen unserer beider Länder führt«, hieß es in einer vom Kreml verbreiteten Erklärung.

Russland hatte die Entwicklung in der Kaukasusrepublik mit Argwohn verfolgt. Der Kreml befürchtete, dass es in Armenien einen Wechsel hin zu einer antirussischen Führung wie in Georgien oder in der Ukraine geben könnte. Russland unterhält in Armenien einen Militärstützpunkt und ist ein wichtiger Handelspartner.

Paschinjan hatte seit dem 13. April die Proteste gegen Sarkissjan angeführt, der sich schließlich am 23. April dem Druck der Straße beugte und zurücktrat. Entzündet hatten sich die Proteste daran, dass der Staatschef ins Amt des Ministerpräsidenten wechselte, nachdem er per Verfassungsänderung diesem Posten weitreichende Vollmachten verschafft hatte. Nun kann Paschinjan von der Verfassungsänderung profitieren, die den Präsidenten auf eine weitgehend repräsentative Rolle degradiert hat.

Paschinjan und seine Anhänger werfen Sarkissjan und seiner Partei vor, den Oligarchen die Kontrolle über die Wirtschaft Armeniens überlassen zu haben. Sarkissjan war seit 2008 Präsident der armen Kaukasusrepublik gewesen. Nach seinem Rücktritt hatte die Protestbewegung eine vollständige Entmachtung der Republikanischen Partei gefordert.

Zunächst dürfte die bisherige Regierungspartei dem neuen Ministerpräsidenten das Regieren schwer machen: Sie verfügt im Parlament weiter über eine Mehrheit von 58 der 105 Sitze. Nach Einschätzung des Politikexperten Vigen Akopjan wird Paschinjan zügig Neuwahlen anberaumen - im Falle seines Sieges könnte er dann mit Rückendeckung aus dem Parlament regieren. Mehrere Experten äußerten die Einschätzung, ein Sieg der unbeliebten bisher regierenden Republikanischen Partei sei unwahrscheinlich. AFP/nd

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -