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Kein Favorit und kein Heimvorteil
Im fünften Finalspiel geht es zwischen Friedrichshafen und Berlin um den Volleyballtitel
Seit 1998 finden sich nur diese beiden Vereinsnamen in der Liste der Titelträger: VfB Friedrichshafen und BR Volleys. In dieser Saison machen sie zum sechsten Mal in Folge den Titel unter sich aus. Und dabei will der baden-württembergische Gastgeber an diesem Mittwoch auf heimischem Parkett seinen 14. Meistertitel feiern. Die Gäste, die zu früheren Zeiten als SC Charlottenburg schon zu Titelehren gekommen waren, wollen den neunten Titel nach Berlin holen.
Interessanterweise spricht keiner mehr von einem Heimvorteil. Beide Teams haben in den bisherigen vier Finalspielen ein Mal zu Hause und ein Mal auswärts gewonnen. »Heimvorteil?«, fragt Berlins Kapitän Robert Kromm zurück, »das kann auch eine unheimliche Bürde sein. Der Druck, unbedingt zu Hause gewinnen zu wollen, ist immens, gerade in schlechten Phasen wie bei unserer 2:3-Niederlage. Doch jetzt dürfte für beide Mannschaften der Druck gleichermaßen hoch sein. Jeder will, jeder muss gewinnen, um Meister zu werden. Das Wichtigste wird für uns sein, dass wir auch bei guten Momenten des Gegners ruhig bleiben.«
Auch in der bitteren Stunde der Heimniederlage am vergangenen Sonntag hatte Kromm seinen Humor nicht verloren: »Wir sind ja geübt mit Meisterehrungen in Friedrichshafen.« Dort sind die Volleys in den letzten fünf Jahren vier Mal Meister geworden. »Jetzt schaffen wir das auch zum fünften Mal«, ergänzt der zunehmend zu alter Form zurückfindende Australier Paul Carroll, der als Diagonalangreifer einer der zuverlässigsten Berliner Punktsammler ist. »Wir müssen giftig bleiben«, fordert er. Für den 32-Jährigen könnte es das Abschiedsspiel bei den BR Volleys sein, er wird mit einem Wechsel in die russische Topliga in Verbindung gebracht.
Auch David Sossenheimer, einer der starken Außenangreifer Friedrichshafens, will vom Heimvorteil nichts wissen. »Unsere Halle wird ausverkauft sein und hinter uns stehen, da bin ich mir sicher. Doch ich setzte vielmehr auf einen psychologischen Vorteil. Wir haben das Momentum umgedreht. Es ist auf unserer Seite. Wir haben Berlin zwei Mal die Meisterparty vermasselt. Aber nun bloß keinen Übermut. Wir wissen, wie wir Berlin schlagen können.«
Berlins Cheftrainer Stelian Moculescu, der erst im Februar zu den Volleys kam und zuvor als Coach mit Friedrichshafen 13 Meistertitel gefeiert hatte, würde seine mehr als 40-jährige Trainerkarriere gern in dem ihm so vertrauten Umfeld am Bodensee krönen. Für den 68-jährigen gewieften Taktiker und Wechselstrategen wäre es der 20. Meistertitel - und ein Abschied ins Rentnerdasein. Denn hinter den Kulissen wird der Franzose Cédric Ènard, der mit Tours VB gerade die französische Meisterschaft gewonnen hat, als sein Nachfolger in der Hauptstadt gehandelt.
Bei seinem Gegenüber, dem ehemaligen Bundestrainer Vital Heynen, wird dessen »Besessenheit« ebenso gerühmt wie gefürchtet. »Ich suche immer nach dem Vorteil im Nachteil. Dieses Finale ist eine Kopfsache«, sagt der 48-jährige Belgier, für den der Titel eine deutsche Meisterpremiere wäre. Ganz anders für den 36-jährigen Zuspieler Simon Tischer, für den die Abschiedsstunde schlägt. »Noch einmal ein Titel - das wäre ein Traum.« Es wäre sein fünfter mit den Häflern. Gut möglich, dass in einem Duell zweier Mannschaften, die beide auf sehr hohem Niveau spielen, nicht der Bessere Meister wird - sondern der Glücklichere.
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