Geheimdienstkrimi im Hochsicherheitstrakt

In Berlin steht ein mutmaßlich Entführer des vietnamesischen Ex-Politikers Trinh Xuan Thanh vor Gericht

  • Marina Mai
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Saal 145 des Berliner Kammergerichtes ist ein Hochsicherheitstrakt. Wer hinein möchte, muss die Taschen abgeben, den Gürtel abbinden. Selbst Armbanduhren sind nicht erlaubt. Körper und Schuhe werden auf gefährliche Gegenstände abgescannt. Journalisten dürfen nicht einmal einen Kugelschreiber mit hineinnehmen. Nur Bleistifte sind erlaubt.

Im Saal 145 wird seit Ende April einem 46-jährigen Vietnamesen der Prozess gemacht, der zum Entführungskommando für den vietnamesischen Ex-Politiker Trinh Xuan Thanh gehört haben soll. Trinh Xuan Thanh war nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft im Juli 2017 aus Berlin nach Hanoi entführt worden. Verantwortlich dafür soll der vietnamesische Geheimdienst sein. Der Entführte war elf Monate zuvor nach Deutschland geflüchtet, weil er sich als Opfer eines Machtkampfes innerhalb der Kommunistischen Partei Vietnams sah. Vietnam wiederum wirft ihm Misswirtschaft in Größenordnungen vor und hat ihn im Januar zweimal zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Entführung bestreitet Vietnam bis heute.

Long H. N., der Angeklagte, hat bis zu seiner Festnahme in Prag gelebt. Ihm wird vorgeworfen, die Entführungsautos besorgt und eines davon von Prag nach Berlin gefahren zu haben. Er soll in Berlin der Kofferträger des stellvertretenden Geheimdienstchefs von Vietnam, Duong Minh Hung, gewesen sein, der eigens aus Hanoi anreiste und nach Überzeugung der Ermittler von einem Berliner Hotelzimmer aus die Entführung leitete. Auch ihn will die Bundesanwaltschaft vor Gericht bringen. Jeder Zeuge wird gefragt, ob er mit dem Zweisternegeneral verwandt oder verschwägert ist. Duong Minh Hung lebt allerdings in Vietnam und wird natürlich nicht ausgeliefert. Seit sein Name in deutschen Zeitungen steht, ist er jedoch aus vietnamesischen Medien verschwunden. Ins Ausland kann er nicht mehr reisen, ohne eine Festnahme zu riskieren.

Thanhs Ehefrau ist eine der besonders gefährdeten Zeuginnen, deretwegen im Gericht die höchste Sicherheitsstufe herrscht. Sie wird durch einen unterirdischen Gang in den Gerichtssaal geleitet, verdeckt ihr Gesicht. Sie sagt aus, dass sie und ihr Mann in Berlin öfter den Wohnort wechselten, aus Angst vor dem vietnamesischen Geheimdienst. Dass sie kaum mit Landsleuten verkehrten. Dass es immer wieder Warnungen von Verwandten aus Vietnam vor einer Entführung gegeben hätte. Und dass wenige Wochen vor der Entführung plötzlich Männer bei ihnen auftauchten, die ihr Mann vom »Cuc 2« vermutete. »Cuc 2« ist der Geheimdienst der vietnamesischen Armee. Entführt wurde er aber vom polizeilichen Geheimdienst Tong Cuc An Ninh.

Eine solche Entführung fürchtet auch Vu Dinh Duy, ein anderer besonders gefährdeter Zeuge. Der Cousin und enger Vertrauter des Entführten hat sich in einen osteuropäischen Staat geflüchtet, weil Vietnam auch ihn mit internationalem Haftbefehl sucht. Auch ihm wird Misswirtschaft in Größenordnungen vorgeworfen und auch er sieht das nur als Vorwand an und glaubt, dass er aus politischen Gründen von Vietnam verfolgt wird.

Für die Ermittler ist noch nicht geklärt, wie Trinh Xuan Thanh aus Europa heraus gebracht wurde. Vorige Woche wurden Vorwürfe laut, das könne mit einer slowakischen Regierungsmaschine geschehen sein. Die Slowakei hatte eingeräumt, einer hohen vietnamesischen Polizeidelegation drei Tage nach der Entführung eine solche Maschine geliehen zu haben. An Bord saßen zwölf Personen, darunter zwei mutmaßliche Entführer. Die Slowakei sagte aber, dass Trinh Xuan Thanh zumindest nicht mit seinem richtigen Namen an Bord der Maschine saß. Bundeskanzlerin Merkel forderte von ihrem slowakischen Amtskollegen Peter Pellegrini umfassende Aufklärung. Der hat ihr das letzte Woche in Berlin zugesagt.

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