• Politik
  • Räumung des Notre-Dame-des-Landes

Umstrittene Legalisierung

Der Konflikt um das besetzte Flughafengelände in Notre-Dame-des-Landes geht weiter

  • Haidy Damm
  • Lesedauer: 3 Min.

2500 Polizisten, Wasserwerfer, Räumpanzer, Drohnen und Hubschrauber, 11 000 Kartuschen Tränengas, 3000 Blendgranaten - es ist eine Materialschlacht, mit der Frankreichs Regierung seit dem 9. April versucht, die Bewohner*innen der »Zone à deféndre« (ZAD) in der Nähe von Nantes zu vertreiben. Rund 30 Häuser wurden bisher von den Baggern zerstört, 60 Aktivist*innen festgenommen, erste Schnellverfahren vor Gericht abgehandelt. Zwar ist die Räumung offiziell ausgesetzt, die Gendarmerie will aber vor Ort bleiben, bis alle »illegalen« Gebäude zerstört sind, die Durchgangsstraße wieder unter staatlicher Kontrolle ist und keine Gemeinschaftsprojekte wieder- aufgebaut werden.

Die Unterscheidung, wer legal und wer illegal auf dem Gelände ist, versucht der französische Staat momentan vorzunehmen. Bis zum 14. Mai gilt die Antragsfrist für individuelle Nutzungsverträge, alle nicht genehmigten Projekte sollen anschließend geräumt werden. Die Polizei hat angekündigt, monatelang auf dem Gelände zu bleiben, um den Wiederaufbau zu verhindern.

»Die staatliche Autorität wiederherstellen«, mit diesen Worten hatte Präsident Emmanuel Macron, das Ziel der Räumung beschrieben. Es sei an den Besetzer*innen, »eine Geste« zu zeigen und den »minimalen« Forderungen der Regierungen nachzukommen, erklärte Umweltminister Nicolas Hulot.

Eine Forderung, die auf Widerspruch stößt und innerhalb der Zadisten für Streit sorgt. Sie kritisierten das Ultimatum der Regierung und bezeichneten unter anderem die Zerstörung ihrer Landwirtschaftsprojekte als »Erpressung«. Die Aktivist*innen wollen, dass der französische Staat ihre während vieler Jahre aufgebauten Projekte kollektiv anerkennt. Hinter Macrons Forderung vermuten sie wohl nicht zu Unrecht die Absicht, die Bewegung zu spalten und zu entsolidarisieren. Bislang zeigt sich die Regierung nur für Projekte offen, die individuell gestellt werden und landwirtschaftlich ausgerichtet sind.

Streitpunkt ist die vom Zentralstaat vorgenommene Unterscheidung zwischen individuellen und kollektiven Projekten. Einige Bewohner*innen haben inzwischen Pachtverträge mit der örtlichen Vertretung des Zen-tralstaates unterzeichnet, darunter vier Landwirte, die sich seit Jahrzehnten gegen die Enteignung ihrer Betriebe gewehrt hatten. Etwa 40 Aktivist*innen haben zudem Anträge für rund 270 Hektar Fläche eingereicht, um die Räumung auszusetzen und wieder zu verhandeln. Das sei ihre »Geste«, heißt es in einer Mitteilung. Sie wollen sich trotz individueller Anträge weiter antikapitalistisch und kollektiv organisieren - in Kooperation mit den Landwirt*innen, die ihre Höfe weiter individuell bewirtschaften wollen. Diese Lösung habe den Vorteil, dass das seit vielen Jahren erfolgreiche Projekt weiterhin ein gemeinsames Wirtschaften entgegen der üblichen destruktiven Eigentumslogik ermögliche - eine Idee, die von der Regierung abgelehnt werde.

Offen ist laut Medienberichten zudem, ob der Zentralstaat überhaupt über diese Flächen entscheiden darf. Das Département ist der Meinung, dass die Flächen, die es für den Flughafenbau enteignete und dem Staat überließ, zurück in den Besitz des Départements gehören. Darüber soll bald ein Gericht entscheiden. Falls die Provinzregierung mit der Klage erfolgreich ist, soll zukünftig die örtliche Landwirtschaftskammer mit der Verteilung der Agrarflächen beauftragt werden.

Der Konflikt um die ZAD wird derweil zu einem Symbol über Frankreich hinaus. »Was in Notre-Dame-des-Landes passiert, macht einen Konflikt sichtbar, der die ganze Welt betrifft«, erklärte der belgische Philosoph Raoul Vaneigem. Die US-Autorin Naomi Klein erklärte die kollektive Ökonomie der ZAD zum »Modell«, das eine Idee zeige, die »wir verteidigen müssen«.

Auch aus Deutschland kommt Unterstützung. Am Mittwoch wollen Aktivist*innen an der französischen Botschaft in Berlin Unterschriften übergeben. »La ZAD ist für uns, über die Grenzen Frankreichs hinaus, eine Hoffnung gegen die Individualisierung der Gesellschaft und die Ökonomisierung aller Lebensbereiche«, erklärte Jürgen Holzapfel vom Europäischen Bürger*innenforum. »Die Zerstörung soll dieses Symbol und die Hoffnungen, die damit verbunden sind, zunichtemachen.«

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