• Sport
  • Abstieg des Hamburger SV

Das Ende eines «Dinos»

Der Hamburger SV verlässt erstmals die 1. Bundesliga

  • Franko Koitzsch und Thomas Prüfer, Hamburg
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein Kapitel deutscher Fußballgeschichte ist beendet. Der Hamburger SV, zweifacher Europapokal-sieger und sechsfacher deutscher Meister, ist erstmals in seiner Bundesliga-Historie abgestiegen. Nach fast 55 Jahren hat es den dienstältesten Erstligisten, der als einziger Verein seit Gründungsstunde im Oberhaus vertreten war, erwischt. «Ich habe nie gedacht, dass der HSV, solange ich lebe, einmal absteigen würde», sagte Klubikone Uwe Seeler. «Ich glaube aber auch», so der 81-Jährige, «dass wir wieder aufsteigen und ich noch mal 1. Liga zu sehen bekomme.»

Das verdiente 2:1 gegen Mönchengladbach war nichts mehr wert. Doch die bundesweit bekannte Uhr des HSV läuft weiter. Sie soll künftig wohl auf die Dauer des 130-jährigen Vereinsbestehens umgestellt werden. Chronisten hielten den historischen Moment fest: Nach 54 Jahren, 261 Tagen, 00 Stunden, 36 Minuten und 02 Sekunden klappte der Traditionsverein von der Elbe seine Bundesliga-Chronik zu. «Dies ist ein enorm schmerzhafter Moment für den gesamten HSV, der damit eine seiner Einzigartigkeiten verloren hat», klagt Bernd Hoffmann, Präsident und Aufsichtsratschef.

Der Wechsel zu Trainer Christian Titz sei «ein bisschen spät» gekommen«, bedauert Uwe Seeler. Der Trainer-Nobody holte aus acht Spielen 13 Punkte und sorgte für eine Wiederbelebung des desolaten HSV. Der 47-Jährige schaffte starke 1,62 Zähler pro Spiel. Da hatten seine Vorgänger Markus Gisdol (0,79) und Bernd Hollerbach (0,43) den Karren längst in den Dreck gesteuert. Deren Verschulden ist die Schussfahrt in die Katastrophe aber nicht allein. Der überforderte Ex-Sportchef Jens Todt und Ex-Vorstandschef Heribert Bruchhagen leisteten auch ihren Beitrag zum Niedergang.

Kompetenz, Konzept und pädagogisches Geschick des ehemaligen U17- und U21-Trainers Titz wurden von der HSV-Führungsriege viel zu spät erkannt. Hätte er früher antreten dürfen, wäre die Degradierung in Liga 2 wohl zu verhindern gewesen. In Vorstand und Aufsichtsrat dominieren Zahlenakrobaten und Wirtschaftsexperten, Fußballsachverstand ist Mangelware. Ex-Verteidiger Marcell Jansen soll die Schieflage im Aufsichtsrat beheben. »Dieser Abstieg ist das bittere Ergebnis einer sportlichen Fehlentwicklung«, so Finanzchef Frank Wettstein, verschweigt aber die eigene Verantwortung und die seiner Kollegen.

Der HSV wird unter Titz einen tiefgreifenden Umbruch vollziehen. Geld für Millioneninvestitionen in neue Spieler, wie sie Bernd Hoffmann in seiner ersten Amtsperiode (2003 bis 2011) hemmungslos vornahm, wird es nicht geben. Titz zeigt den Weg: Juniorenspieler wie der mit dem FC Bayern in Verbindung gebrachte Fiete Arp, Tatsuya Ito, Josha Vagnoman und Stephan Ambrosius wurden an die Profis herangeführt.

Was die Chaoten in der Nordkurve mit Böllern und Rauchbomben Sekunden vor Schluss auslösten, wird den HSV noch teuer zu stehen kommen. Wieso, fragen sich 56 900 friedliche Zuschauer im Stadion, konnten die rund 100 Schwarzjacken so viel Pyrotechnik in die Arena schleusen, dass die gefährliche Ballerei 15 Minuten andauerte? Die anderen Fans pfiffen die Chaoten lautstark aus und legten sich fest: »Wir sind Hamburger - und ihr nicht!« dpa/nd

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.