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AfD-Kreisverband erteilt der Süddeutschen Zeitung Hausverbot
Medienhaus soll keinen Zugang mehr zu Veranstaltungen und Funktionären erhalten / »Erdinger Anzeiger« zeigt sich solidarisch mit Kollegen aus München
Die AfD und freie Berichterstattung der Medien – immer wieder sorgen Teile der Rechtsaußenpartei durch ihren Umgang mit der Presse für Aufregung, etwa wenn Journalisten von Parteitagen ausgeschlossen werden, wie etwa 2016 in Baden-Württemberg geschehen.
In Bayern legt sich nun ein AfD-Kreisverband mit Journalisten an. Im Landkreis Erding erklärte der Kreisverband der Rechten am Wochenende, dass künftig sämtliche Reporter und Fotografen der »Süddeutschen Zeitung« (SZ) bei Veranstaltungen Hausverbot hätten. Eine entsprechende Erklärung veröffentlichte der AfD-Kreisvorsitzende Wolfgang Kellermann am Samstag auch bei Facebook. Sollte sich die SZ nicht daran halten, wird ihr in dem Schreiben mit juristischen Schritten gedroht. Auch »erinnerte« der Vorsitzende die Zeitung daran, dass er als auch andere AfD-Funktionäre des Kreisverbandes für »keinerlei Anfragen und Interviews zur Verfügung« stehen würden. Diese gelte »insbesondere auch für Kommentare nach Wahlen«.
Kellermann wirft der Süddeutschen »hetzerische Denunzierung« vor, Veranstaltungen der Partei würden »völlig verzerrt und subjektiv dargestellt«, die Berichterstattung sei »lediglich auf Diffamierung der AfD ausgelegt«. Die SZ bezeichnete er als »Hetzblatt«, in dem die AfD auch keine Anzeigen zur anstehenden bayerischen Landtagswahl schalten wolle.
Auslöser für die Mediensperre gegenüber der SZ war offenbar ihre Berichterstattung über eine AfD-Veranstaltung Anfang Mai in Dorfen im Landkreis Erding. In dem Beitrag schildert SZ-Autor Thomas Doller, wie Teile der Bevölkerung mit »Bier und Schafkopfkarten« trickreich gegen den Auftritt des AfD-Bundestagsabgeordneten Hansjörg Müller in einem Wirtshaus protestierten. Dabei besetzten die Demonstranten einfach große Teile der Gaststube, bestellten sich ein Bier und spielten Karten, sodass für die AfD selbst kaum mehr ein Platz blieb. Die Rechtsaußenpartei beschwert sich ihrerseits, der »SZ«-Reporter habe sich bei besagter Veranstaltung gegenüber der AfD nicht als Reporter zu erkennen gegeben.
Mit dem »SZ«-Auschluss könnte der Kreisverband indes unfreiwillig eine Lawine losgetreten haben. Inzwischen melden sich auch andere Medienhäuser zu Wort, die sich mit den Kollegen von der Süddeutschen solidarisieren. »Dieser Vorgang ist unerträglich und nicht zu akzeptieren«, erklärt Hans Moritz, Redaktionsleiter beim »Erdinger Anzeiger«.
Moritz bezeichnet das Verhalten der AfD in einem offenen Brief als »zutiefst undemokratisch« und kündigte seinerseits Konsequenzen an: »Wir beziehen das Verbot auch auf uns. Das heißt: Wir werden ab sofort keine AfD-Veranstaltungen mehr besuchen und nicht mehr über diese berichten.« Das Verhalten der Rechtsaußenpartei sei ein Angriff auf die Pressefreiheit. »Die rechte Partei tritt Grundrechte mit Füßen. Sie versucht, Journalisten bei der Ausübung ihrer Tätigkeit zu behindern. Sie will freie Berichterstattung einschränken und unterdrücken«, so Moritz.
Auch auf die Kritik des »Erdinger Anzeigers« hatte AfD-Kreischef Kellermann eine Antwort parat: »Es wird Zeit, dass auch in den linken Massenmedien wieder objektiver Journalismus Einzug hält!«, wetterte er am Sonntag in einem weiteren Facebookbeitrag.
Gegenüber der SZ bezeichnete der Bayerische Journalistenverband das Vorgehen der AfD als »antidemokratisch«. Der Verband kenne bisher keinen vergleichbaren Vorgang in Bayern, wo gegen Vertreter der Presse pauschal ein Hausverbot verhängt wurde.
Frageverbot für Reporter führte zu Boykott durch alle Journalisten
Restriktive Maßnahmen gegenüber Medienvertretern hatten sich in der Vergangenheit wiederholt für die AfD als Boomerang erwiesen. Erst vor einer Woche hatte die Brandenburger Landtagsfraktion für Aufregung gesorgt, als sie einem »Bild«-Reporter auf einer Pressekonferenz ein Frageverbot erteilte. Aus Solidarität mit dem Kollegen verließen daraufhin auch alle anderen Medienvertreter die Veranstaltung, die daraufhin abgebrochen wurde.
Zwei Wochen zuvor hatte ein Journalist des Blattes unter anderem Fragen zu früheren Kontakten des AfD-Fraktionschefs Andreas Kalbitz zu der rechtsextremen und inzwischen verbotenen Heimattreuen Deutschen Jugend gestellt. Hintergrund war die geplante Gründung eines Freundeskreises Israel im Landtag. Die AfD warf dem Journalisten unter anderem vor, »unsachlich« gewesen zu sein.
Die Landespressekonferenz kritisierte das Frageverbot als »schwerwiegenden Eingriff in die Pressefreiheit und absolut inakzeptabel«. So sehr die Moderation einer Pressekonferenz zulässig und zuweilen auch notwendig sei, so wenig sei es möglich, Journalisten bereits zu Beginn das Fragerecht zu entziehen, hieß es in einer Stellungnahme. mit Agenturen
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