Schulz soll es noch einmal versuchen

SPD-Politiker wollen, dass der ehemalige Parteichef im kommenden Jahr deutscher Spitzenkandidat für die Europawahl wird

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.

Um Martin Schulz ist es zwischenzeitlich ruhig geworden. Anstatt Kanzler oder wenigstens Außenminister zu werden, wie es sich der Sozialdemokrat einst erhofft hatte, ist er seit einigen Wochen lediglich stellvertretendes Mitglied in Bundestagsausschüssen, die sich mit Außenpolitik und mit den Angelegenheiten der EU beschäftigen. Nach dem schwachen Abschneiden der SPD bei der Bundestagswahl im September, als sie nur 20,5 Prozent der Stimmen erhielt, war für Schulz nicht mehr drin.

Doch nun wünschen sich einige Genossen die Rückkehr von Schulz auf die große Bühne. Sie können sich vorstellen, dass der Rheinländer die Sozialdemokraten bei der Europawahl im Mai 2019 anführt. Entsprechend haben sich kürzlich Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller und der SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs im »Spiegel« geäußert. Kahrs ist Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises, dem auch Schulz zugerechnet wird.

Diese Überlegungen passen zur derzeitigen Personalpolitik der SPD. Zwar hat die Partei angekündigt, dass sie sich »inhaltlich, organisatorisch und kulturell« erneuern wolle, diesen Prozess aber in die Hände von Politikern gelegt, die schon seit Jahren Spitzenämter bekleiden und die Krise der SPD mitzuverantworten haben. Genannt seien hier nur die Namen von Parteichefin Andrea Nahles und von Vizekanzler Olaf Scholz. Dies weckt bei den Wählern offensichtlich Misstrauen. Neueste Umfragen sehen die SPD nur noch bei 17 Prozent. Unter diesen Umständen ist es auch nicht leicht, einen Frontmann für den wenig aussichtsreichen Europawahlkampf zu finden.

Anders als bei der Europawahl 2014, als Schulz Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokraten und Anwärter auf den Posten des EU-Kommissionschefs war, soll er sich nun auf die Bundesrepublik beschränken. Als Favoritin für die europaweite Spitzenkandidatur gilt die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini, die ihre politische Laufbahn Ende der 1980er Jahre im Jugendverband der Kommunistischen Partei Italiens begonnen hatte.

Inzwischen setzt sich Mogherini als Sozialdemokratin auf EU-Ebene für die Abwehr von Geflüchteten ein, die über Nordafrika nach Europa einreisen wollen. Zu diesem Zweck kooperiert die EU etwa eng mit der libyschen »Küstenwache«. Mogherini hatte diese Zusammenarbeit vor einigen Monaten als »das beste Beispiel einer Partnerschaft« bezeichnet, »die allen zugute kommt«. Mittlerweile hat sich herumgesprochen, dass die Libyer Hilfsorganisationen im Mittelmeer bei ihren Rettungsaktionen behindern und bedrohen.

Ihren verbliebenen linken Unterstützern dürfte es auch wegen der Flüchtlingspolitik schwer fallen, im kommenden Jahr erneut für die europäischen Sozialdemokraten zu votieren. Dies ist nur einer von vielen Gründen dafür, warum die Sozialdemokraten derzeit in vielen europäischen Ländern in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden drohen. Bislang stellen sie nach dem konservativen Zusammenschluss der Europäischen Volkspartei (EVP) die zweitgrößte Fraktion im Europaparlament. Es ist wahrscheinlich, dass sie nach der nächsten Wahl einige ihrer derzeit 191 Sitze verlieren werden.

Vor vier Jahren hatte Schulz bei der Europawahl für die SPD immerhin einen Achtungserfolg errungen. Sie gewann hierzulande 6,5 Prozentpunkte hinzu und kam auf 27,3 Prozent. Kommissionspräsident wurde der EVP-Kandidat Jean-Claude Juncker. Der Luxemburger und Schulz sorgten in der Folgezeit dafür, dass die informelle Koalition aus Konservativen und Sozialdemokraten auf EU-Ebene erhalten blieb. Schulz amtierte bis Anfang 2017 als Präsident des EU-Parlaments.

Hätte er sich nicht dafür entschieden, Kanzlerkandidat und Parteichef der SPD zu werden, dann wäre Schulz heute mit großer Wahrscheinlichkeit lediglich ein Hinterbänkler im Straßburger Parlament. Dieses Schicksal droht ihm nun auch im Bundestag. Nach der Europawahl hätte er hingegen theoretisch die Chance, EU-Kommissar zu werden. Dieser Posten dürfte aber nur für einen Kandidaten der Partei infrage kommen, die hierzulande am besten abschneidet.

Schulz und die SPD werden überlegen, ob sie nach der katastrophalen Bundestagswahl erneut einen gemeinsamen Wahlkampf wagen werden. Die endgültige Entscheidung soll erst Ende dieses Jahres getroffen werden. Dann will die SPD bei einer Europadelegiertenkonferenz einen eigenen deutschen Spitzenkandidaten küren.

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