Torra ist neuer katalanischer Präsident
Puigdemonts Statthalter verspricht den Aufbau einer »Republik für alle, mit allen Rechten«
Vor dem zweiten Wahlgang am Montag konnte der von Carles Puigdemont bestimmte Präsidentschaftskandidat Quim Torra befreiter auftreten, da die Basis der linksradikalen CUP am Sonntag entschieden hatte, ihn durch Enthaltung im zweiten Wahlgang zum 131. Präsidenten und »Stellvertreter« des »legitimen Präsidenten« Puigdemonts in Kataloniens zu machen.
Die einfache Mehrheit von 66 gegen 65 Stimmen der Unionisten reichte ihm nun, bei vier Enthaltungen der CUP, um als vierter Kandidat gewählt zu werden, da Spaniens Justiz zuvor Puigdemont aus dem Exil und die inhaftierten Jordi Sánchez und Jordi Turull verhindert hatte.
Torra stellte soziale Fragen ins Zentrum seiner Rede am Montag, was er am Samstag nur am Rande gemacht hatte. Er versuchte sich damit von dem Image zu entfernen, dass ihm als liberalen Katholiken und politischen Seiteneinsteiger anhaftet, der 20 Jahre in der Versicherungsbranche in der Schweiz tätig gewesen ist. Das hatte für heftige Debatten in der linksradikalen CUP gesorgt, der er nun rhetorisch weiter entgegenkam. Die Antikapitalisten stellen die soziale Frage in den Mittelpunkt, um auch darüber die Basis für »eine Republik für alle« zu verbreitern. Katalonien solle »zur Hoffnung beitragen, dass eine andere Welt möglich ist«, hatte der CUP-Sprecher Carles Riera erklärt.
Daran dockte Torra an, um sich deutlich von spanienfeindlichen Tweets aus der Vergangenheit zu distanzieren, für die er sich erneut entschuldigte. Er sprach vom Aufbau »einer Republik für alle, mit allen Rechten« in einem »konstituierenden Prozess«.
Rechte sollen garantiert werden, die das Parlament schon beschlossen hat, über Einsprüche der spanischen Regierung aber durch das Verfassungsgericht ausgehebelt wurden. Konkret sprach er unter anderem die Wohnungsfrage an, das Gesetz gegen Energiearmut oder die Tatsache, dass Einwanderern die Gesundheitskarten und damit eine universelle Gesundheitsversorgung genommen wurde. Sie wurden zu Menschen zweiter Klasse gemacht, was Katalonien nicht hinnehmen will. »Die Freiheit heißt Republik: katalanische Republik und spanische Republik«, sagte Torra. Er spielte darauf an, dass Diktator Franco die Monarchie restaurierte. Er hatte 1936 mit den Putschisten die spanische Republik gestürzt. Torra hofft, dass sich auch die Menschen in Spanien erheben und erneut die Republik aufbauen, um die Freiheit aller zu garantieren.
Torra zeigte sich offen für Gespräche mit der spanischen Zentralregierung. Er sagte wörtlich: »Wenn Ministerpräsident Rajoy mich heute in seinen Regierungssitz einladen würde, ich würde zusagen.« Gleichzeitig räumte Torra ein, dass die Separatisten auch Fehler gemacht hätten. Man müsse die Schritte der vergangenen Monate kritisch überprüfen.
Die Reaktionen in Spanien auf Torra und seine Wahl sind vielschichtig, aber vor allem ablehnend. Während Ministerpräsident Mariano Rajoy erklärte, »mir gefällt gar nicht, was ich gehört habe«, wollen die rechtsliberalen Ciudadanos (Bürger) eine Offensive in Europa starten, um Torra zu »entlarven«. Deren Chef Albert Rivera hat gefordert, die Zwangsverwaltung in Katalonien über den Artikel 155 aufrecht zu erhalten. Sie muss nach dem im Senat beschlossenen Text automatisch ausgesetzt werden. Rivera forderte von Rajoy ein Treffen, um zu beraten, »wie wir die Anwendung des 155 ausweiten«. Er warf ihm vor, die Wahl Torras ermöglicht zu haben, da er das Delegieren der Stimmen von Puigdemont und Toni Comín aus dem Exil nicht über das Verfassungsgericht verhinderte, womit Torras Mehrheit weg gewesen wäre.
Doch im Lager der Rechten gab es auch noch radikalere Stimmen. So forderte der bekannte Radiomoderator und Kolumnist der großen rechten Tageszeitung »El Mundo«, Federico Jiménez Losantos, die »Bombardierung Barcelonas« wie im Bürgerkrieg (19396-39). Er reagierte damit auf die Aussage von Torra, dass Spanien das glücklicherweise heute in der EU nicht mehr tun könne. »Natürlich können wir euch bombardieren«, sagte er. Losantos nannte Torra einen »Affen« und verwies auf 70 000 Polizisten, 90 000 Paramilitärs und 50 000 gut ausgerüstete Soldaten.
Jiménez ist für verbale Ausfälle bekannt, die geduldet werden. Kürzlich drohte Jiménez Podemos-Mitgliedern mit einem Schusswaffeneinsatz. Und als das Oberlandesgericht sich gegen die Auslieferung von Puigdemont wegen Rebellion stellte, forderte er »Aktionen« wie »Bomben auf Brauereien in Bayern« und erinnerte an 200 000 deutsche »Geiseln« auf den Baleareninseln.
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