Prämie soll Pflegepersonal locken
5000 Euro für Pflegerinnen und Pfleger, die in ihren Beruf zurückkehren oder länger arbeiten
Kaum im Amt, überrascht der neue Pflegebeauftragte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, mit einem ungewöhnlichen Vorschlag. Laut einem Positionspapier, das der »Rheinischen Post« vorliegt, sollen Pflegefachkräfte in Heimen und Kliniken, die in den Beruf zurückkehren oder ihre Arbeitszeit spürbar aufstocken, eine Prämie von 5000 Euro erhalten. Die Pflegekräfte müssten spüren, »dass wirklich etwas geschieht«, um die dramatische Personalsituation zu verbessern, sagte Westerfellhaus der Zeitung. Auch Azubis sollen nicht leer ausgehen: Pflegefachkräfte, die direkt nach der Ausbildung in eine Festanstellung gehen, sollen 3000 Euro erhalten. Die steuerfreien Prämien würden im ersten Jahr rund 570 Millionen Euro und in den Folgejahren etwa 345 Millionen Euro kosten. Westerfellhaus will die Sonderzahlungen auf zwei bis drei Jahre begrenzen. In dieser Zeit sollen die Arbeitsbedingungen in der Pflege verbessert werden.
Doch an der miesen Bezahlung für Altenpfleger wird sich so schnell nichts ändern. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte am Mittwoch auf dem DGB-Bundeskongress Hoffnungen gedämpft, die Tarifverträge in der Pflege zeitnah für allgemeinverbindlich zu erklären. Das von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ausgegebene Ziel, bereits 2019 eine solche Regelung durchzusetzen, wertete Heil als zu ambitioniert.
Zumal es auch die körperlichen und psychischen Belastungen sind, die vielen Pflegerinnen und Pflegern zusetzen, wie eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion zeigt, die »nd« vorliegt. Darin verweist die Regierung auf Befragungen aus dem Jahre 2012, wonach die Hälfte aller Angestellten unter Termin- und Leistungsdruck arbeiten müsse, in der Krankenpflege aber fast zwei Drittel. Altenpflegerinnen und Altenpfleger sind demnach mehr als dreimal so häufig durch Heben und Tragen schwerer Lasten betroffen wie andere Berufsgruppen. Denn eine Pflegerin muss mehrmals täglich bettlägerige Personen anheben. Kein Wunder, dass bei ihnen Erkrankungen der Wirbelsäule überdurchschnittlich häufig auftreten.
Hinzu kommen Verletzungs- und Infektionsrisiken. Angestellte in Pflegeberufen gaben mehr als drei Mal so häufig an, durch ihre Tätigkeit in Situationen zu gelangen, die gefühlsmäßig belasten. Der tägliche Umgang mit Krankheit und Tod schlägt vielen Pflegekräften aufs Gemüt.
Angesichts der massiven Belastungen bezeichnete Linksparteichef Bernd Riexinger den Vorschlag des Pflegebeauftragten als zynisch. »In der Krankenpflege arbeitet fast die Hälfte der Kolleginnen und Kollegen in Teilzeit. Das tun sie in der Regel nicht, weil das Gehalt so üppig ist, sondern weil sie die Zeit zur Erholung und Regeneration für ihre anstrengende Arbeit benötigen«, sagte Riexinger am Donnerstag dem »nd«.
In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!