Söders Propaganda
CSU plant eine »Infokampagne« zu ihrem Polizeigesetz
Das Polizeiaufgabengesetz (PAG) war kaum verabschiedet, schon ließ Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) eine erste Pressemitteilung versenden. Neben der üblichen Lobhudelei für den Entwurf kündigte er dort eine umfassende Informationskampagne an, um den vermeintlichen Fehlinformationen entgegenzuwirken. Es sei teilweise »blanker Unsinn« im Umlauf, so Herrmann - diesem werde man durch Aufklärung widersprechen. Dazu hat das Ministerium, flankierend zur eigenen Homepage über das PAG, am vergangenen Mittwoch zunächst weitere Kanäle in den sozialen Netzwerken Twitter und Facebook gestartet.
Auf diesen Seiten sollen angeblich neutrale Informationen rund um das PAG bereitgestellt werden, sodass Bürger »sachlich« informiert werden können. Das Ministerium inszeniert sich dabei eifrig als vertrauenswürdige Quelle, ohne überhaupt auf seine Befangenheit als Befürworter einzugehen. Noch am ersten Tag konnten die Bürger über die beiden Kanäle allerlei Fragen über das neue Gesetz stellen, die zwischen 18 und 21 Uhr niemand geringerer als Landespolizeipräsident Wilhelm Schmidhuber beantwortet hat. Als höchster bayerischer Polizeibeamter war ihm bereits mehrfach die Aufgabe zuteil geworden, öffentlich für das Gesetz zu werben.
Doch bei dieser Aktion soll es nicht bleiben. Nach den massiven Protesten hat Ministerpräsident Markus Söder eine noch viel weitreichendere Maßnahme angekündigt, um die bayerische Bevölkerung auf das PAG einzuschwören. Es sollen demnach Polizeibeamte in die Schulen entsendet werden, die über die neuen Befugnisse aufklären sollen - natürlich neutral und unabhängig, als wäre nicht das Landesinnenministerium ihre oberste Aufsichtsbehörde. Söder will das als Versuch verstanden wissen, auf die Bedenken einzugehen. »Entscheidend sind für mich die Sorgen von Schülern, von jungen Studenten«, sagte der CSU-Politiker, »die es eigentlich gut meinen und da - glaube ich - offen sind für ein Gespräch.«
Viele Kritiker verstehen das jedoch mehr als Drohung denn als ernst gemeintes Dialogangebot. »Über ein Gesetz muss man eigentlich vor der Verabschiedung aufklären«, sagt Simon Strohmenger vom Bündnis nopag dem »nd«. Der Zusammenschluss, bestehend aus unzähligen zivilgesellschaftlichen Organisationen, hat kürzlich in München die Großdemonstration mit rund 40 000 Teilnehmern organisiert. »Jetzt die Polizei in die Schulen zu schicken, die für den falschen Weg der CSU werben soll - das geht zu weit.«
Mit diesen Bedenken ist Strohmenger in guter Gesellschaft. Auch bei der Bildungsgewerkschaft GEW und dem Bayerischen Lehrerinnen- und Lehrerverband stößt Söders Vorschlag auf Widerstand. »Erst beschließen, dann informieren, so handelt ein Obrigkeitsstaat«, sagt der GEW-Landesvorsitzende Anton Salzbrunn. »Der Auftritt von Beamten der Geheimdienste und Soldaten der Bundeswehr« sei schon jetzt »mehr als problematisch«. »Auch noch Polizisten in die Schulen zu schicken, damit sie die Versäumnisse der Staatsregierung ausbügeln, geht gar nicht.« Salzbrunn erinnert vor allem an den Beutelsbacher Konsens, wonach kontroverse Themen im Unterricht ebenfalls kontrovers behandelt werden müssen. Sollten Polizisten tatsächlich an Schulen kommen, dann müsse die Anwesenheit von Kritikern sichergestellt sein.
Unterdessen wird das Bündnis nopag Söders Propagandaoffensive kritisch begleiten. »Wir werden definitiv am Ball bleiben und nicht zurückschrecken, nur weil das Gesetz verabschiedet ist«, betont Strohmenger. In der nächsten Zeit sollen die bayernweiten Demonstrationen fortgesetzt werden - auch eine weitere Großdemonstration will das Bündnis realisieren, ein genauer Zeitrahmen steht aber noch nicht fest. Zudem prüfe man die Möglichkeiten, erklärt Strohmenger, wie gegen das Gesetz vorgegangen werden kann.
Der Widerstand gegen das PAG überschneidet sich mit dem Landtagswahlkampf, den auch die CSU bis zum 14. Oktober führt. Traditionell ist die Innen- und Sicherheitspolitik hierbei ein entscheidendes Thema; sie gilt vielen Wählern noch immer als Kernkompetenz der CSU. Die massiven Proteste haben allerdings offenbart, dass eine ständige Verschärfung der bestehenden Gesetze selbst in Bayern zunehmend kritisch hinterfragt wird. Die CSU, seit jeher eine klassische Law-and-Order-Partei, setzt das gehörig unter Rechtfertigungsdruck. Nicht umsonst reagiert sie - trotz äußerlicher Gelassenheit - mit außerordentlicher Nervosität auf die Kritik.
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