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Strahlender Exportschlager

Die russische Regierung hofft, dass das erste schwimmende AKW nicht das letzte bleibt

  • Bernhard Clasen
  • Lesedauer: 3 Min.

Die »Akademik Lomonosow«, eine von Schleppern gezogene Barke mit einem schwimmenden Atomkraftwerk an Bord, ist im Hafen der russischen Polarstadt Murmansk vor Anker gegangen, wo sie mit Nuklearbrennstoff beladen werden soll. Vor zwei Wochen hatte das 144 Meter lange und 30 Meter breite Schiff die Werft in St. Petersburg verlassen. Es trägt zwei Reaktoren mit je 35 Megawatt Leistung. Zehn Jahre hätten russische Energietechniker daran gearbeitet, berichtet der russische Sender NTV.

Die Fahrt sei zwar schwer, aber interessant gewesen, habe durch die Ostsee, das Polarmeer, vorbei an norwegischen Fjorden geführt, schwärmt Alexej Rachmanow vom Vereinten Schiffsbau Konzern, zu dessen Unternehmen auch die St. Petersburger Werft gehört, die das schwimmende AKW gebaut hat. Der Umstand, dass die Barke keinen eigenen Motor habe, mache eine derartige Reise drei mal schwerer, so Rachmanow. Nun, in Murmansk angekommen, werde man »Leben in die Reaktoren bringen, diese mit radioaktiven Brennstäben beladen, die Reaktoren anfahren«.

Kurz nach den Eintreffen des schwimmenden Atomkraftwerkes lud der staatliche russische Atomkonzern Rosatom am vergangenen Samstag zu einer Feierstunde in Murmansk ein. »Nun haben wir das erste Referenzprojekt einer mobilen atomaren Energiequelle. Für die nächsten Jahre erwarten wir eine sehr hohe Nachfrage«, sagte sich Alexej Lichatschew von Rosatom auf der Feier. Besonders Inselstaaten hätten bereits Interesse am Projekt gezeigt.

Russlands Umweltbewegung sieht hingegen keinen Grund zur Euphorie. Die Umweltorganisation Greenpeace war der »Akademik Lomonosow« mit einem eigenen Schiff, der Beluga-2, von der Werft in St. Petersburg gefolgt. In der Nähe der dänischen Insel Bornholm war es zu einer Rangelei zwischen der Beluga-2 und dem Begleitschiff des schwimmenden AKW, der »Spasatel Karew«, gekommen, bei dem sich beide Seiten gegenseitig einen unerlaubten Annäherungsversuch vorgeworfen hatten.

Auch in Murmansk gab es Proteste gegen das schwimmende Atomkraftwerk. Mit kleineren Aktionen hatte die örtliche Umweltgruppe Tschernobyl30 gegen das Anlanden protestiert. Raschid Alimow von Greenpeace kritisierte, dass die Verantwortlichen in Murmansk keine öffentlichen Anhörungen durchgeführt hatten, bei denen sich die Anwohner über die Gefahren eines schwimmenden AKW hätten informieren können. Und das, obwohl das russische Gesetz Anhörungen der Bevölkerung beim Anfahren eines neuen Reaktors zwingend vorschreibe, kritisierte Alimow.

Russlands Umweltbewegung sieht sich einer neuen Medienkampagne gegenüber. Vladimir Sliwjak, Vorsitzender der Gruppe Ecodefense, der auch eng mit der Anti-AKW-Bewegung im Münsterland und in Gorleben zusammenarbeitet, zitiert eine Hitparade jüngster Schlagzeilen führender russische Medien. Immer häufiger sei dort die Rede von »ökologischem Extremismus«, »falschen Grünen« und einer »destruktiven Praxis von Umweltprotesten«.

Im nächsten Jahr wird die »Akademik Lomonossow« den Hafen von Murmansk in Richtung Pewek im Fernen Osten Russlands verlassen. Dabei ist der 144 Meter lange und 30 Meter breite Lastkahn mit seinen zwei Atomreaktoren auf zwei Schiffe angewiesen: einen Eisbrecher, der den Weg freiräumt, und einen Schlepper.

Die russische Atomwirtschaft erhofft sich von ihrem ersten schwimmenden Atomkraftwerk den Einstieg in einen Zukunftsmarkt. Schon 2010 hatte Walentina Matwienko, die Taufpatin des Lastkahns, damalige Gouverneurin von St. Petersburg und heutige Vorsitzende des Russischen Föderationsrats, von einer »Auferstehung der Atomenergie« gesprochen. Sie sei mobil geworden. In Zukunft könne man so ein Kraftwerk in jede Ecke Russlands entsenden.

Die »Akademik Lomonosow« dürfte somit erst der Anfang sein. Die russische Atomwirtschaft sieht in dem Projekt einen Exportschlager - vor allem für die bereits erwähnten Inselstaaten.

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