- Wirtschaft und Umwelt
- Dodd-Frank-Gesetz
US-Kongress weicht Bankenregeln auf
Demokraten warnen vor Risiken durch Lockerung des Dodd-Frank-Gesetzes / Pelosi: Es darf kein zurück zur »unkontrollierten Rücksichtslosigkeit an der Wall Street« geben
Washington. Für die US-Republikaner geht es um die »Befreiung unserer Wirtschaft vor Überregulierung«, viele Demokraten fürchten hingegen um die Stabilität der Finanzmärkte: Zehn Jahre nach der Bankenkrise von 2008 hat das Repräsentantenhaus in Washington den Weg für die Aufweichung strengerer Vorschriften für die Kreditinstitute geebnet. Nun muss US-Präsident Donald Trump, der die Vorschriften in der Vergangenheit als »Katastrophe« bezeichnet hatte, die Lockerung noch mit seiner Unterschrift absegnen.
258 Abgeordnete - darunter 33 Demokraten - stimmten am Dienstag für die Anpassung des Dodd-Frank-Gesetzes, das 2010 unter Trumps Vorgänger Barack Obama eingeführt worden war, um die US-Steuerzahler vor den Schockwellen durch den Zusammenbruch von Finanzinstituten zu schützen. 159 Abgeordnete stimmten dagegen.
Der Senat in Washington hatte der Lockerung bereits Mitte März zugestimmt - genau zehn Jahre nachdem die New Yorker Investmentbank Bear Stearns als erste Wall-Street-Größe infolge der US-Immobilienkrise kollabiert war und schließlich vom Rivalen JPMorgan Chase geschluckt wurde.
Beiden Instituten wurde von der US-Justiz später vorgeworfen, faule Hauskredite an Investoren weiterverkauft zu haben, ohne die Risiken offenzulegen. Der Zusammenbruch des sogenannten Subprime-Marktes 2007, bei dem vor allem einkommensschwache Hausbesitzer ihre Darlehen wegen steigender Zinsen nicht mehr abzahlen konnten, während die schlecht abgesicherten Kredite von Bank zu Bank als Geldanlage weitergereicht wurden, gilt vielen Experten als eine der Hauptursachen der Finanzkrise.
Um sich gegen eine Wiederholung solcher Krisen zu wappnen, verabschiedete die Obama-Regierung das Dodd-Frank-Gesetz. Das 848 Seiten lange Regelwerk schreibt den Finanzinstituten unter anderem mehr Transparenz und eine höhere Eigenkapitalquote vor, um ihre Überschuldung zu verhindern. Außerdem legte das Gesetz den Grundstein für die Einrichtung der US-Behörde für Verbraucherschutz im Finanzwesen (CFPB).
Die nun vom Repräsentantenhaus verabschiedete Lockerung belässt Kernelemente des Gesetzes für die größten Geldinstitute des Landes in Kraft. Tausende kleine und mittlere Banken, die nach Auffassung des Weißen Hauses unter einer »exzessiven Überregulierung« litten, sollen von den Regelungen aber ausgenommen werden.
Diese Hausbanken seien ein »Wachstumsmotor«, schrieb der republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses, Paul Ryan, bei Twitter. Nun werde es für diese Geldinstitute einfacher sein, kleinen Unternehmen und Familien Geld zu leihen. »Das ist ein wichtiger Schritt, unsere Wirtschaft von Überregulierung zu befreien.«
Die Chefin der Demokraten in der Abgeordnetenkammer, Nancy Pelosi, warnte hingegen vor einer Rückkehr in Zeiten, als »unkontrollierte Rücksichtslosigkeit an der Wall Street zu einer historischen Kernschmelze« des Finanzsystems geführt habe. Die Dodd-Frank-Reformen seien das bislang stärkste Mittel zum Verbraucherschutz in diesem Bereich.
Die demokratische Senatorin Elizabeth Warren verwies auf die zuletzt hohen Gewinne vieler Geldhäuser. »Über Jahre haben Armeen von Banklobbyisten und Führungskräften gestöhnt, wie sehr ihnen die Finanzregeln weh tun«, schrieb sie vor der Abstimmung im Repräsentantenhaus bei Twitter. »Aber an dieser Geschichte gibt es ein Problem - die Banken machen Rekordgewinne.«
Trump hatte bereits im Februar per Dekret angeordnet, die Regulierung der Banken komplett auf den Prüfstand zu stellen. Das Gesetz sei eine »Katastrophe« und erschwere die Kreditvergabe an US-Unternehmen, argumentierte er.
Damit schürte er auch in Europa die Sorge vor neuen Risiken im Finanzsektor. Der Leiter des Münchener Ifo-Instituts, Clemens Fuest, warnte damals, die Aussetzung der Bankenregulierung könne eine neue Krise heraufbeschwören. Das Dodd-Frank-Gesetz enthalte wichtige Vorkehrungen zur Wahrung der Finanzmarktstabilität und zum Schutz der Steuerzahler vor der Belastung durch die Rettung von Pleitebanken. AFP/nd
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.