»Wir sind der gesunde Menschenverstand«

LMS-Politiker Marjan Šarec über die kommenden Parlamentswahlen in Slowenien

  • Thomas Roser
  • Lesedauer: 4 Min.

Herr Šarec, früher waren Sie ja Politiker-Imitator. Hätten Sie sich damals vorstellen können, selbst je Politiker zu werden?

Ich beschäftigte mich mit Politik, seitdem ich zehn Jahre alt war. Aufgrund dieses Interesses für Politik habe ich dann auch Politiker imitiert. Mein Werdegang ist also nicht so seltsam, wie er erscheint.

Was war dann 2010 Ihre Motivation, selbst in die Politik einzusteigen - und für das Bürgermeisteramt in Kamnik zu kandidieren?

Wenn man nur kritisiert, was nicht gut funktioniert, stellt sich irgendwann die Frage, ob man den Mut und die Eier hat, selbst in die Politik zu gehen - und etwas zu ändern. Ich habe vor Herausforderungen keine Angst und wollte es zumindest versuchen.

Für Außenstehende scheint es um Slowenien keineswegs schlecht bestellt. Wo sehen Sie trotzdem mögliche Fehlentwicklungen?

Einige unserer Politiker haben das ganze Land zu ihrer Geisel gemacht. Sie sitzen schon seit den 90er Jahren im Parlament - und tragen noch immer ihre gestrigen Kämpfe aus. Wenn man die ewige Spaltung in Partisanen und Domobranzen (Angehörige der faschistischen Heimwehr, Anm. d. Red.) überwinden könnte, würde das viele Dinge erleichtern.

Aber sind die neuen Politiker wirklich per se besser als die alten?

Mit der Politik ist es wie beim Spaghetti-Kochen: Bleiben die Nudeln zu lange im Topf, sind sie verkocht - und haben keinen Biss mehr. Seit der Unabhängigkeit Sloweniens sind viele Politiker noch immer dieselben - und scheinen in den alten Zeiten stehen geblieben zu sein.

Was wollen Sie denn mit Ihrer LMS genau ändern?

Wir wollen keine radikalen Veränderungen, eher eine Nachjustierung des Systems. Unser Staat wird bald 30 Jahre alt sein - und wir haben noch immer keine größere Reform realisiert. Wir sind an einen Punkt gelangt, an dem wir sehen, was gut funktioniert und was nicht. Und man sollte nun einige Dinge verbessern.

Was sehen Sie da beispielsweise als verbesserungswürdig?

Die Prozedur zur Ernennung der Regierung ist bei uns viel zu kompliziert. Die zweite Kammer des Parlaments ist überflüssig, die Wahlhürde zu niedrig. Unser Bahnsystem ist völlig veraltet, stammt noch aus der Zeit von Kaiser Franz Joseph. Ob bei der Überarbeitung des Wahlrechts, des Renten- oder des Gesundheitssystems - in allen Bereichen müsste man mit den Reformen zumindest beginnen, über die seit 20 Jahren nur geredet wird.

Warum stimmen die Wähler der Mitte in Slowenien seit Jahren immer wieder doch für die neuen Parteien?

Weil die alten Parteien enttäuschend sind. Seit 20 Jahren versprechen sie im Wahlkampf, dass sie alles Mögliche tun werden, wenn sie nur in die Regierung kommen. Dabei sind sie an dieser schon seit seit zwei Jahrzehnten beteiligt. Natürlich muss es Rechte und Linke geben. Aber wir müssen beginnen, anders zu denken. Man muss als Linker nicht jede Dummheit anderer Linker preisen - und als Rechter nicht jeden bejubeln, der sich als rechts versteht, egal ob Trump oder Orbán.

Wie würden Sie denn Ihre Partei positionieren?

Wir sind ganz klar im Zentrum. Wir sind der gesunde Menschenverstand. Wer über die Autobahn mit 200 Kilometern rast, wird sich irgendwann selbst umbringen. Wer mit 70 km/h dahin kriecht, wird von anderen umgebracht. Es geht um das richtige Maß. Und in der Politik ist es dasselbe. Nur mit Schwarz-weiß-Denken und mit extremen Ansätzen löst man gar nichts.

Bei der Präsidentschaftswahl im letzten Jahr gelangten Sie in die Stichwahl. Nun ist die LMS laut den Umfragen zweitstärkste Kraft. Was erwarten Sie, was ist Ihr Ziel?

Unser Ziel ist in erster Linie der Parlamentseinzug. Aber natürlich würden wir uns freuen, wenn wir die Wahlen gewinnen sollten. Dann könnten wir zeigen, über was wir nun reden.

Und was kommt nach der Wahl?

Egal welche Regierung kommt, es wird eine Koalition sein. Und das erfordert natürlich Kompromisse. Ich hatte während meines ersten Mandats als Bürgermeister keine Mehrheit und musste über jede Kleinigkeit mit dem Stadtrat verhandeln. Aber damit muss man leben - und arbeiten.

Ihr stärkster Konkurrent ist laut den Umfragen die rechte SDS von Ex-Premier Janez Jansa. Könnten Sie sich mit seiner Partei eine Koalition vorstellen?

Wir denken nicht daran, mit der SDS unsere Kräfte zu bündeln. Wir sind generell offen, aber werden nicht mit Extremisten zusammengehen. Diese schaffen nur Probleme.

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