Gute Laune mit Dreischichtsystem

Mittelstand zeigt sich unbeschwert von der verschlechterten Stimmung in der Industrie

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein erstes Warnzeichen erschien im März am Konjunkturhimmel: Seit Jahresbeginn erhält die deutsche Industrie weniger Aufträge. Auch die deutsche Wirtschaft insgesamt verliert an Schwung. So hat sich das Wachstum in den ersten drei Monaten gegenüber dem Vorquartal halbiert, zeigen die endgültigen Zahlen für das Bruttoinlandsprodukt (BIP), die das Statistische Bundesamt vergangene Woche veröffentlichte. Obendrein sinken die Erwartungen für die Zukunft. «Die Hochstimmung in den deutschen Chefetagen verfliegt», meldet das Münchner Ifo-Institut. Die Wirtschaft nimmt Tempo raus.

Optimisten verweisen dagegen auf die immer noch hohe Drehzahl der Konjunktur. Die aktuelle Delle sei die Folge von Sonderfaktoren wie Grippewelle oder Warnstreiks in mehreren Branchen. Pessimisten sprechen lieber von Bremsspuren und Wendesignal. Sie verweisen auf die vielen Risiken, die der exportorientierten deutschen Industrie drohen: Zollstreit mit den USA, steigender Wechselkurs des Euro oder Nordkoreas Atompolitik. Im Vergleich mit den Staaten des Euroraums fiel Deutschland mit seinem Miniwachstum im ersten Quartal ans untere Ende.

Ganz anders stellt sich der Mittelstand dar. «Die Stimmung im deutschen Mittelstand ist nach wie vor sehr gut», heißt es bei der DZ Bank, dem Spitzeninstitut der Volks- und Raiffeisenbanken. Die neue Mittelstandsumfrage ergab bei der Geschäftslage zum dritten Mal hintereinander ein Rekordhoch: 92 Prozent der mittelständischen Unternehmen bewerten ihre aktuelle Situation derzeit als «gut» oder «sehr gut».

Vor allem die inlandsorientierten Mittelständler blicken optimistisch in die Zukunft. Und lassen sich von geo- und handelspolitischen Risiken wenig beeindrucken. Die Folge in vielen Firmen ist, dass man auf Dreischichtbetrieb und Sieben-Tage-Woche umstellte.

Das lässt die Gewinne sprudeln. «Offenbar erlaubt es die starke Nachfrage den Firmen in einigen Branchen, ihren Erfolg vor allem durch Preiserhöhungen und höhere Margen zu festigen», erklärt Uwe Berghaus, Firmenkundenvorstand der DZ Bank. «Zumindest vorübergehend», so der Banker.

Geld für Investitionen ist folglich genug vorhanden. Dies drückt sich im gewachsenen Eigenkapital aus. Dabei spiegelt die sogenannte Eigenkapitalquote den Anteil am laufenden Geschäft wider, der aus eigenen Mitteln finanziert werden kann. Je höher dieser Wert ist, desto weniger sind die Unternehmen auf Kredite von Banken angewiesen. In den vergangenen fünf Jahren stieg diese Quote von rund 22 Prozent auf den Rekordwert von 28 Prozent.

Berghaus hat eine geradezu linke Erklärung für den Erfolg des Mittelstandes: Er folge nicht wie die meisten Großunternehmen dem «Shareholder-Value-Gedanken», der auf kurzfristige Rendite setzt. «Stattdessen richte er »die strategischen Entscheidungen an langfristigen Zielen aus«, sagt Berghaus.

Der »Mittelstand« ist allerdings ein breiter Begriff. Rund 99 Prozent der Unternehmen in Deutschland werden von der DZ Bank dem Mittelstand zugeordnet, das sind alle Betriebe mit 10 bis 499 Beschäftigten und einem Umsatz von maximal 50 Millionen Euro. Kleinstunternehmen bleiben unberücksichtigt. Neben den rund 2,5 Millionen Mittelständlern gibt es weniger als 20 000 Großunternehmen. Dabei erzielen die kleinen und mittelgroßen Unternehmen (KMU) mehr als ein Drittel des gesamten Umsatzes der Wirtschaft. Fast 60 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und mehr als 80 Prozent aller Auszubildenden sind in einem mittelständischen Unternehmen angestellt.

Neben den guten Rahmenbedingungen gibt es allerdings auch Risiken. Die in den vergangenen Jahren gestiegene Auslandsorientierung des Mittelstands macht ihn anfälliger für internationale Risiken wie etwa den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union. Auch aus der Digitalisierung ergeben sich neben vielen Chancen durchaus auch Risiken.

So verschlechtern sich trotz der rosigen Gegenwart aktuell wohl doch die Erwartungen. Jedenfalls signalisiert dies das Mittelstandsbarometer der öffentlichen KfW-Bank. Berghaus ist allerdings optimistisch, dass der Mittelstand auf alle Risiken »gut reagieren« kann. Schließlich habe er sich in der Vergangenheit als vergleichsweise robust gegenüber Krisen erwiesen.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.