• Berlin
  • Debatte um »Berliner Linie«

Skeptisch gegenüber Solidaritätsbekundungen

Nach Strafanträgen gegen BesetzerInnen fordern Demonstranten ein Ende der »Berliner Linie«

  • Florian Brand
  • Lesedauer: 3 Min.

»Fickt euch mit eurem Geld und euren Forderungen« tönt es aus dem Lautsprecher, als der Demonstrationszug am Freitagabend die Sonnenallee in Neukölln passiert. PassantInnen bleiben verwundert stehen, beobachten neugierig die rund 800 DemonstrantInnen, die sich durch die Reuterstraße schieben. Vereinzelt wird aus höher liegenden Fenstern applaudiert. »Richtig so«, murmelt ein älterer Herr mit Vollbart und Kinderbuggy, während sein Junior sich die Ohren zu hält.

Am Lausitzer Platz in Kreuzberg startete der von der Initiative besetzen organisierte Demonstrationszug. Stationen sind unter anderem die Reichenberger Straße 114, das kommunale Wohnungsbauunternehmen »Stadt und Land« sowie die Bornsdorfer Straße 37b in Neukölln.

Die DemonstrantInnen sind wütend auf den rot-rot-grünen Senat. Grund ist die Polizeigewalt, die die BesetzerInnen der »Borni« und der »Reiche114« am Pfingstsonntag zu spüren bekamen. Sie machen Bausenatorin Katrin Lompscher und deren LINKE für die Eskalation verantwortlich. Die besetzen-InitiatorInnen fordern außerdem die Straffreiheit aller 56 von »Stadt und Land« angezeigten BesetzerInnen sowie die Abschaffung der sogenannten Berliner Linie, wonach besetzte Häuser innerhalb von 24 Stunden zu räumen sind.

Mit ihrem »Karneval der Besetzungen« hatten die »selbstbestimmten BürgerInnen«, wie sie sich selbst nennen, am Pfingstsonntag ordentlich Staub im Senat aufgewirbelt. Während sich LINKE und Grüne mit den Besetzungen grundsätzlich solidarisieren, kommen aus der SPD eher skeptische Töne. Hausbesetzungen seien kein probates Instrument, »sie verletzen Recht und Gesetz, das können wir nicht zulassen«, sagte der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) unmittelbar nach den Besetzungen. Für die Initiative besetzen ist jedoch genau diese Haltung des Senats mitverantwortlich für den massiven Leerstand in der Stadt. Sie schätzt, dass spekulationsbedingt 18 000 Wohnungen betroffen sind.

»Leerstand ist zwar nicht vertretbar, aber in der Masse in Berlin kein Problem«, sagte der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild, der »Berliner Morgenpost«. Mit den vergangenen Besetzungen hätten die AktivistInnen auf jeden Fall auf einen Missstand hingewiesen.

In der Bewegung ist man derzeit uneins über das weitere Vorgehen. »Priorität hat erst mal, dass die Strafanzeigen gegen uns zurückgenommen werden«, sagen AktivistInnen am Rande der Demonstration. »Solange das nicht passiert, sehen Verhandlungen schwierig aus.«

Ingo Malter, Geschäftsführer von »Stadt und Land« hatte sich nach der Räumung in einem Interview mit der »Berliner Zeitung« weiterhin gesprächsbereit gezeigt.

»Wir müssen uns nach der Polizeigewalt erst mal sammeln und verdauen, was wir da erlebt haben«, sagen die AktivistInnen. »Unser Vertrauen in die LINKE und ›Stadt und Land‹ ist in jedem Fall erschüttert.« Vereinnahmen lassen wolle man sich daher nicht, betonen die BesetzerInnen. »Wir sind sehr skeptisch, was die Solidaritätsbekundungen angeht. Wir sind eine außerparlamentarische Bewegung und das wollen wir auch bleiben.« Über weitere Aktionen werde man sich demnächst verständigen. »Wir werden aber weiter machen«, versprechen sie. »Außerdem sucht ja auch noch der geräumte Kiezladen Friedel54 eine Unterkunft.«

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