»Ich beginne zu glauben, …

Kathrin Gerlof über die sogenannte Bamf-Affäre und Sevim Dagdelen, die der Seehoferschen Logik unterliegt

  • Kathrin Gerlof
  • Lesedauer: 3 Min.

… dass die Linke recht hat.« Der arme Frank Schirrmacher. Er war am Anfang dieses Glaubens und starb zu früh, um feststellen zu können, dass er sich nochmal zurücklehnen und aufatmen kann. Im ganz Großen, so hoffen wir, mag es stimmen. Dass die Linke weiß, was sie sagt und tut. Im Kleineren, aber nicht Unwesentlichen, können wir uns erst einmal nur kopfschüttelnd fragen, wer eigentlich andauernd lustvoll die Kuhkacke aufs Dach hievt.

Ob wir einen Untersuchungsausschuss in der sogenannten Bamf (ein Wort wie ein Kanonenschuss, das für Bundesamt für Migration und Flüchtlinge steht)-Affäre bekommen werden oder nicht, ist eigentlich egal. Untersuchungsausschüsse, das haben NSA und NSU gezeigt, sind hierzulande die so ziemlich längsten Bänke, auf die man etwas schieben kann. Aber sehr beruhigend. Beunruhigend hingegen ist, dass Sevim Dagdelen, Vize-Fraktionsvorsitzende der LINKEN im Bundestag, so einen Bamf-Affären-Untersuchungsausschuss gut findet. »Sollte Innenminister Seehofer nächste Woche im Innenausschuss keine Aufklärung zu den Vorfällen im Bamf leisten können, muss auch über einen Untersuchungsausschuss geredet werden«, hat sie gesagt. Ihre Begründung ist bizarr. »Dies ist allein schon notwendig, um pauschalen Verdächtigungen von Asylsuchenden und Mitarbeitern des Bamf entgegenzuwirken.«

Vielleicht hat Sevim Dagdelen nicht mitbekommen, dass seit der sukzessiven Abschaffung des Rechtes auf Asyl hierzulande alle Asylbewerber*innen grundsätzlich pauschalen Verdächtigungen ausgesetzt sind. Von Leuten, wie Seehofer, dem die Abgeordnete jetzt die Aufklärung der »Affäre« überantworten möchte. Als beauftragte man den Wolf, mal als Urlaubsvertretung den Hütehund für die Herde zu geben.

Möglicherweise ist ihr nicht ganz klar, dass sie mit der Aufforderung, man möge die 1176 Fälle prüfen, in denen »zu Unrecht« (ja, hier muss mit vielen Tüddelchen gearbeitet werden, auch wenn Anführung und Abführung den Textfluss massiv stören) Asyl bewilligt worden sein soll, der gleichen Logik unterliegt, die uns Seehofer und Kumpane seit jeher einreden wollen: Nach Deutschland kommen eine Menge Leute, die haben gar kein Recht, hier zu sein. Die sind zu Unrecht in unserer schönen Heimat untergekrochen. Ein Unrecht, das in den vergangenen Jahrzehnten durch die Abschaffung eines Grundrechtes überhaupt erst entstand. Was der eigentliche Skandal ist. Und nicht jene Bamf-Mitarbeiter*innen, die womöglich aus Überforderung, im schönsten Fall aus Mitgefühl oder anderen ethisch hochwertigen Gründen, falsche Asylbescheide ausgestellt haben.

Was also macht Sevim Dagdelen als nicht unprominente Vertreterin ihrer Linksfraktion da, wenn sie beim bestehenden Asylrecht, das so gut wie keines mehr ist, möchte, dass alles ordentlich abläuft und es keine Unregelmäßigkeiten mehr gibt?

Wir wissen ja seit langem, dass sich der Kapitalismus sein eigenes Grab schaufelt (hat Marx gesagt). Doch statt dass die LINKE ein bisschen hilft, die Grube mit auszuheben, arbeitet sie lieber an ihrer eigenen Gruft. Wo kommen wir hin, wenn das so weitergeht?

Dagdelen möchte also vielleicht, wahrscheinlich einen Untersuchungsausschuss, weil sie Seehofer keine lückenlose Aufklärung (Das ist übrigens eine deutschlandweit konkurrenzlose Wortverbindung - lückenlos und Aufklärung. Großartig.) zutraut, die sie aber notwendig findet und haben möchte. Darf man fragen, warum sie das will? Warum sie einem Seehofer Empfehlungen gibt, anstatt ihm jeden Tag aufs Neue zu sagen, er soll sich vom Acker machen und in seine Heimat zurückkehren? Diese ganze »Seehofer muss, Merkel sollte, Scholz darf nicht, von der Leyen steht in der Pflicht-Empfehlungsscheiße« ist ein großes Übel. Seehofer zur Aufklärung aufzufordern (sollen die 1176 Menschen nach der Aufklärung eigentlich abgeschoben werden oder welchen Vorschlag hat die LINKE in Versalien?), gibt vielleicht eine schöne Presseerklärung ab. Ist aber trotzdem gequirlter Mist.

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