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Dicke Luft um reine Luft

Noch-Umweltminister Habeck fordert für Schleswig-Holsteins Hauptstadt Kiel ein Fahrverbot für alte Diesel-Autos

  • Dieter Hanisch, Kiel
  • Lesedauer: 4 Min.

Allein die Ankündigung von Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck (Grüne), dass für die Stadt Kiel ein Fahrverbot für alte Diesel-Pkw in Betracht kommen könnte, um die Luftreinhaltung zu verbessern, löst einen Aufschrei der Empörung bei CDU, FDP und SPD hervor.

Die Grünen gehen damit in einen parteipolitischen Streitmodus, packen ein heikles Thema an, bei dem andere sich noch wegducken, es aussitzen oder auf den Faktor Zeit setzen, die eigentlich gar nicht mehr vorhanden ist. Und wenn die verantwortliche Politik nicht handelt, dürften in Kürze Klagen ins Haus stehen, die die Deutsche Umwelthilfe bereits angekündigt hat.

Das Problem trifft Kiels Innenstadt grundsätzlich, auch wenn es sich auf einen viel befahrenen Streckenabschnitt der durch die Stadt verlaufenden Bundesstraße 76 fokussiert. Am Theodor-Heuss-Ring gibt es seit 2011 eine Luftmessstation. Der zulässige Grenzwert an Stickoxiden beträgt 40 Milligramm je Kubikmeter Luft. Die Kieler Werte liegen bei 56 Milligramm und sie lagen bereits noch höher. Damit reiht sich Kiel ein in die Liste der am stärksten von Stickoxid belasteten Städte Deutschlands. Im Vorjahr nahm man einen unrühmlichen vierten Platz ein.

In einem Vorentwurf eines Luftreinhalteplans hat Habeck nun für einen 600 Meter langen Abschnitt der B 76 in Richtung Eckernförde ein Fahrverbot für Diesel-Pkw vorgeschlagen, die die Abgasnorm Euro 6 nicht einhalten. Der Theodor-Heuss-Ring müsste von dieser speziellen Fahrzeuggruppe dann in Richtung Westen umfahren werden. Zudem greift Habeck den bereits seitens der Stadt Kiel ins Spiel gebrachten Bau einer Immissionsschutzwand auf. Kritiker werfen dem in drei Monaten scheidenden Minister damit Aktionismus und reine Symbolpolitik vor.

»Das vorgeschlagene Fahrverbot greift zu kurz. Würde man das umsetzen, wird nur Verkehr verlagert. Am Theodor-Heuss-Ring mögen dann die Schadstoffwerte etwas sinken, dafür steigen sie an anderer Stelle«, so Claudia Bielfeldt, Landesvorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). »Wenn schon Fahrverbote, dann richtig! Wirkung erzielt man mit einer echten Umweltzone in Kombination mit einer Blauen Plakette - notfalls als Kieler Sonderlösung. Das Ziel muss sein: Weniger Fahrzeugverkehr.«

Habeck hat auch einen Parteienstreit auf Landesebene und in der Kieler Kommunalpolitik ausgelöst. CDU und FDP, Jamaika-Partner in der Koalitionsregierung des Landes, lehnen Fahrverbote kategorisch ab. Dies tut auch die Kieler FDP, die gerade angekündigt hat, nach den Kommunalwahlen im Kieler Rathaus bereit für eine Ampelkoalition mit SPD und Grünen zu sein. Die Verhandlungen über eine Mehrheitsbildung laufen.

Kiels Oberbürgermeister Ulf Kämpfer (SPD), vor Amtsantritt 2014 Staatssekretär unter Habeck, ist gar nicht einverstanden mit Habecks Vorstoß. Dieser möge doch erst einmal von der Stadt Kiel in Auftrag gegebene Gutachten abwarten. So soll geprüft werden, inwieweit die Umleitungsroute zum Theodor-Heuss-Ring nicht größere Immissionsbelastungen für die Anwohner mit sich bringen würde. Andreas Halle, Ratsherr von der Piratenpartei, mahnt, dass es Zeit zum Handeln ist: »Wer jetzt weiterhin freie Fahrt für jeden zulassen will, der spielt mit der Gesundheit aller anderen.« Halle sieht kurzfristig keine andere Möglichkeit als Fahrbeschränkungen. Langfristig fordert er eine konzeptionelle Verkehrswende.

Kämpfer hat in diese Richtung bereits Besserung gelobt. Der ÖPNV soll ausgeweitet werden, Busse sollen künftig nur noch mit umweltfreundlicheren Antrieben unterwegs sein. Zum angekündigten Maßnahmenkatalog zählen auch eine geplante digitale Verkehrssteuerung und eine Aufrüstung in Sachen Elektromobilität.

Bei einem weiteren Sorgenkind agiert man in Kiel vergleichsweise hilflos: Der Abgas-Ausstoß der die Stadt anlaufenden Kreuz- und Fährschiffe ist gewaltig. Einerseits will die Stadt ökonomisch von diesem Passagierboom profitieren, andererseits sieht die Ökobilanz total negativ aus. Bislang kann sich in der Landeshauptstadt noch kein einziges Passagierschiff an Landstrom andocken. Kreuzfahrer und Fährliner verfügen zudem meist noch nicht über einen passenden Landstromanschluss oder meiden diese umweltverträglichere Stromversorgung, weil sie die EEG-Umlage zu zahlen haben. Da lassen sie lieber ihre eigenen mit Schweröl betriebenen Schiffsmotoren im Kieler Hafen laufen. Umweltfreundlicheres Flüssiggas als Antriebsstoff wäre ebenfalls eine Verbesserung. Insgesamt 166 Anlandungen von Luxuslinern sind dieses Jahr geplant. Allein zwischen dem 16. und 24. Juni während der Kieler Woche haben sich 14 »große Pötte« angekündigt. In Kiel hat sich inzwischen das Bündnis »Kreuzfahrt nirgendwo« formiert.

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