Notbremse für den Schuldenfall
Rechnungshof: Ausnahmeregeln für Neuverschuldungsverbot gehören in Landesverfassung
Zwar hat das Land Brandenburg in den vergangenen Jahren seine Schuldenlast leicht verringert, doch könnten auch wieder andere Zeiten anbrechen. Mit Blick auf das vom Bundestag verhängte Neuverschuldungsverbot ab 2020 hat der Landesrechnungshof dieser Tage in einem »Beratungsbericht« darauf aufmerksam gemacht, dass Brandenburg handeln und gesetzgeberisch aktiv werden muss, wenn es die wenigen Ausnahmeregelungen nutzen können will, die das geänderte Grundgesetz für etwaige Neuverschuldungen vorsieht.
Wenn nichts auf Landesebene geschieht, ist das kommende Verschuldungsverbot für Brandenburg ein totales, warnte der Präsident des Landesrechnungshofs, Christoph Weiser dieser Tage, als er den Bericht an Landtagspräsidentin Britta Stark (SPD) übergab. Er wies auf das Grundgesetz hin, das eine Neuverschuldung der Bundesländer - in einer Ausnahmeregelung - nur dann gestattet, wenn Katastrophen dies erfordern oder wenn der umgehende Abbau von Neuverschuldung garantiert ist. Wenn sich ein Bundesland diese Hintertüren offen halten will, muss es das aber in die eigene Landesverfassung schreiben oder zumindest ein Gesetz erlassen. Das haben alle Bundesländer getan - mit Ausnahme des Saarlandes, Berlins und eben Brandenburgs.
Der Vorteil der Verankerung in der Landesverfassung sei, dass dann die Opposition vor dem Landesverfassungsgericht prüfen lassen könnte, ob eine Regierung gegebenenfalls zu Unrecht von Ausnahmeregelungen Gebrauch machen will, erläuterte Weiser. Sein Beratungsbericht analysiert verschiedene Optionen für die Umsetzung, etwa wie eine Wirtschaftskrise festgestellt werden kann.
Mit dem Beratungsbericht will Rechnungshofpräsident Weiser dazu beitragen, »dass dieses wichtige finanzpolitische Thema fraktionsübergreifend und möglichst im Konsens erörtert wird«, heißt es in einer Mitteilung der Behörde. Um diese Ausnahmeregelungen in die Landesverfassung schreiben zu können, wäre allerdings auch eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Landtag erforderlich.
Unter dem Eindruck der weltweiten Finanzkrise von 2007/2008, als Europa am Rande des Abgrunds stand und der Steuerzahler in allen Ländern nur durch gewaltige Stützungen Banken vor dem Kollaps bewahrte, hatte der Bundestag das Verbot der weiteren Verschuldung ins Grundgesetz aufgenommen und dafür 2020 als Start-Datum gesetzt. Die auch aktuell prekäre Situation in anderen Ländern der Euro-Zone wie etwa Griechenland und Italien war durch eine jahrzehntelange exzessive Neuverschuldung entstanden. Das heißt, es war üblich, nicht mit dem auszukommen, was da war, sondern permanent Wechsel auf die Zukunft auszustellen. Die europäischen Stabilitätskriterien, die eigentlich ein solches Gebaren verhindern sollten, waren das Papier nicht wert, auf dem sie standen. Auch Deutschland hatte nach der Vereinigung 1990 massiv und pausenlos gegen diese Kriterien verstoßen und seinen Anteil zu der Misere beigetragen.
Künftig also sollen die Haushaltspolitiker auf Bundes- und Länderebene - im Prinzip - lernen, ohne den jährlichen kräftigen Schluck aus der Schuldenpulle auszukommen.
Aufgrund der wirtschaftlichen Ent᠆wicklung fiel die Umsetzung dieses Prinzips vergleichsweise und unverhofft leicht. Auch Brandenburg kommt seit Jahren ohne Neuverschuldung aus, konnte dank eines Überschusses im Vorjahr erstmals seit 2006 seine Schulden unter die 18-Milliarden-Grenze senken, wie Finanzminister Christian Görke (LINKE) im März bekanntgab. Aufgrund der niedrigen Zinsen kommt noch hinzu, dass die Schulden längst nicht mehr so drücken wie noch vor fünf Jahren. Brandenburg etwa zahlt nur noch die Hälfte der Summe an Zinsen, die es früher aufwenden musste. Was allerdings nicht bedeutet, dass es glänzend dastünde. Denn nur etwa zwei Drittel seiner Einahmen nimmt das Land als Steuern und Gebühren auf eigenem Territorium ein - alles Übrige müssen Bund und EU zuschießen. Diese Quellen versiegen aber ebenfalls in absehbarer Zeit.
Eine Mehrheit im brandenburgischen Landtag stimmt dem Vorschlag des Rechnungshofes zu, die Ausnahmeregelungen in die Landesverfassung aufzunehmen. »Wer Landespolitik auf Pump betreibt, lässt seine Kinder die Zeche zahlen«, sagte der finanzpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Steeven Bretz. Der Landtag müsse nun das Heft des Handelns ergreifen und die Ausgestaltung der Schuldenbremse auf den Weg bringen.
»Die Verankerung der Schuldenbremse in der Landesverfassung ist für uns ein sinnvolles und wichtiges Instrument«, erklärte auch der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Uwe Schmidt. Weniger eilig damit hat es offenbar Finanzminister Christian Görke (LINKE). Auf einen genauen Zeitpunkt für die Vorlage eines diesbezüglichen Gesetzentwurfes ließ er sich nicht festlegen. Noch in der laufenden Legislaturperiode werde die Koalition einen Vorschlag vorlegen, versprach er jedoch. »Wir müssen auf die zum Teil nicht vorhersehbaren Herausforderungen der kommenden Jahre angemessen reagieren können.«
»Die Schuldenaufnahme kann in Ausnahmesituationen wie bei einer Konjunkturkrise sinnvoll sein«, erklärte dazu der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Axel Vogel.
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