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Autonome Aktionen in Ergänzung zur NATO
Emmanuel Macron drängt auf eine EU-Eingreiftruppe - und eine Führungsrolle Frankreichs dabei
Im Pariser Elysée-Palast sind die jüngsten Äußerungen der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit Befriedigung und Stolz aufgenommen worden. Dass Merkel in ihrem Interview für die »Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung« (FAS) nicht nur Emmanuel Macrons Vorschläge für einen Investitionshaushalt der Euro-Zone positiv aufgegriffen hat, sondern sich auch positiv zu der Idee des Aufbaus einer europäischen Eingreiftruppe äußerte, sorgte in Paris für Wohlwollen.
»Wir waren uns sicher, dass es nur eine Frage der Zeit sein würde, bis Berlin auf Macrons Vorschläge einschwenkt, denn sie drängen sich durch die Realitäten einfach auf«, wurde im Rundfunk einer der außenpolitischen Berater des Präsidenten zitiert. Allerdings haben sich die Medien bei ihren Kommentaren auf die finanzpolitischen Fragen konzentriert - und so verhielten sich auch die Sprecher der Parteien, sowohl des Regierungslagers als auch der Opposition. Dies zeugt einmal mehr davon, dass das Thema Eingreiftruppe in Frankreich nicht eben kontrovers diskutiert wird. In dieser Frage herrscht eine Art stillschweigender Übereinstimmung zwischen den meisten Parteien. Eine Ausnahme ist die linke Oppositionsbewegung La France insoumise, die den militärischen Plänen von Macron grundsätzlich skeptisch gegenübersteht. Jean-Luc Mélenchon plädiert dafür, dass Frankreich die NATO, diese »anachronistische Allianz«, verlässt. Aber er lehnt auch eine gemeinsame europäische Verteidigung ab, weil das »nur eine Unterwerfung mehr« wäre. »Ein Europa der Verteidigung ist ein Europa des Krieges«, urteilte Mélenchon und militärische Interventionen »vergrößern nur das Chaos und verschärfen die Konflikte noch«, wie die Ereignisse in und um Syrien gezeigt hätten. Auch Interventionen in Afrika seien »rundweg abzulehnen, wenn dafür kein Mandat der UNO vorliegt«.
Den verschiedenen Regierungen der vergangenen Jahre ist es dennoch gelungen, in der Öffentlichkeit die Überzeugung zu verankern, dass von diesem militärischen Engagement nicht zuletzt die Absicherung Frankreichs und Europas gegenüber internationalem Terrorismus abhänge.
Wenn Deutschland und andere europäische Länder da mitmachen, kann das nur die Effizienz verstärken und die Kosten für Frankreich reduzieren, so die Erzählung. Dass Angela Merkel in ihrem Interview auch Vorbehalte anklingen ließ, indem sie beispielsweise betonte, diese von der NATO unabhängige »Interventionstruppe mit einer gemeinsamen militärstrategischen Kultur« müsse in die bestehende »Struktur der verteidigungspolitischen Zusammenarbeit« der Europäischen Union eingepasst sein, will man im Elysée nicht überbewerten.
Allerdings wird Macron darauf achten, dass auf die Einsätze nicht die zähe EU-Bürokratie Einfluss nehmen kann, sondern dass sich die Regierungschefs der Länder - die im Einzelfall mitzumachen bereit sind - sich die pragmatische Handlungsfreiheit bewahren können. Nicht umsonst hatte der französische Präsident in seiner Rede über die Lage und die aus seiner Sicht notwendige Reform der EU im vergangenen September an der Pariser Sorbonne-Universität den Staatenbund als »zu langsam, zu schwach, zu ineffizient« charakterisiert. In der Verteidigungspolitik wünschte er sich in dieser Rede eine engere Zusammenarbeit und bis Anfang des kommenden Jahrzehnts eine gemeinsame Interventionseinheit der EU, ein gemeinsames Verteidigungsbudget und eine gemeinsame Doktrin für die Einsätze. Europa müsse sich die »Kapazität autonomer Aktionen in Ergänzung der NATO« sichern, betonte Macron an der Sorbonne.
Ihm zufolge ist eine Lehre aus vergangenen, wenig erfolgreichen Projekten der EU, dass es um eine militärische Zusammenarbeit der Länder gehe, die sich tatsächlich an Einsätzen beteiligen und dabei auch die notwendigen personellen, technisch-organisatorischen und finanziellen Konsequenzen auf sich zu nehmen bereit sind. »Woran es dem Europa der Verteidigung heute am meisten fehlt, das ist eine gemeinsame militärstrategische Kultur«, hatte Macron in der Sorbonne-Rede hervorgehoben - und deutlich gemacht, dass seiner Ansicht nach »sofort, engagiert und geduldig an« dieser nicht einfachen Aufgabe gearbeitet werden müsse.
»Unsere mangelnde Kapazität, überzeugend gemeinsam aufzutreten und zu handeln, ist der Hauptgrund dafür, warum wir Europäer international nicht für immer voll respektiert werden«, ist Macron überzeugt. Und: »Das muss sich ändern.« Um die kulturellen Unterschiede zu überwinden und die gemeinsame Eingreifgruppe von der Basis her vorzubereiten, schlägt Macron vor, zeitweise Militärangehörige der verschiedensten Grade aus Partnerländern in die Reihen der eigenen nationalen Armeen aufzunehmen und so in der tagtäglichen Praxis Erfahrungsaustausch zu organisieren und zu fördern.
Für eine neue Dimension der Zusammenarbeit hat sich Frankreich mit seinem Langzeitprogramm 2019 bis 2025 die finanziellen Grundlagen geschaffen. Macron geht davon aus, dass Frankreich bei der europäischen Verteidigungsstrategie und so auch bei der Eingreiftruppe eine natürliche Vorreiter- und Führungsrolle zukommt. Denn nach dem Austritt des Vereinigten Königreiches aus der EU wird Frankreich das einzige ständige Mitglied im UN-Sicherheitsrat sein, das dort die EU und ihre Interessen vertritt. Doch gleichzeitig will Macron darauf achten, dass durch eine engere europäische Zusammenarbeit nicht die eigene Souveränität und Handlungsfreiheit beeinträchtigt wird. In Westafrika, wo angesichts der aktuellen Terrorgefahren das vorrangige Einsatzgebiet einer gemeinsamen europäischen Eingreiftruppe sein wird, ist das ganze diplomatische Talent des jungen Präsidenten gefordert. Hier gilt es, die künftige EU-Interventionsarmee mit den verschiedenen Militäreinsätzen der NATO und der UNO, aber auch mit der in und von Paris initiierten Regionalentwicklungs- und Verteidigungsgemeinschaft der »G5-Sahel-Länder« - Mauretanien, Mali, Niger, Burkina Faso und Tschad - zu koordinieren.
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