Warschau will dem BER Konkurrenz machen

In der Nähe der polnischen Hauptstadt soll 2027 einer der größten Flughäfen Europas in Betrieb gehen

  • Wojciech Osinski, Warschau
  • Lesedauer: 3 Min.

In Baranów, ungefähr 45 Kilometer von Warschau entfernt, ist nicht viel los. Die Gegend ist von der Landwirtschaft geprägt, im Juni bestimmen gelbe Felder das hiesige Bild. Doch in der vergangenen Woche wurden die engen Gässchen der 130-Seelen-Gemeinde von Journalisten aus der polnischen Hauptstadt belagert. Bis 2027 sollen hier mitten in der masowischen Pampa ein gigantischer Flughafen sowie Tausende neue Jobs entstehen. Anfang Juni hat Polens Staatsoberhaupt Andrzej Duda das Bauprojekt abgenickt und ein Finanzierungsgesetz unterschrieben.

Der Zentralflughafen CPK soll die bisherigen Warschauer Airports Chopin und Modlin ablösen, die an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen, so Duda. In zwei Jahren soll der Spatenstich erfolgen, die Inbetriebnahme ist für 2027 geplant. Die Kosten des Prestigeprojekts auf einem rund 3000 Hektar großen Gelände gibt die nationalkonservative Regierung mit acht Milliarden Euro an. Als Kapazität werden 100 Millionen Passagiere pro Jahr angestrebt. Damit wäre Warschau einer der größten Flughäfen Europas.

Viele Polen begrüßen das Bauvorhaben, allen voran die Luftfahrtgesellschaft LOT, deren Bosse sich schon seit Jahren für einen Großflughafen aussprechen. Eine ausgebaute Infrastruktur würde auch dem Unternehmen zugute kommen, erklärt Vorstandschef Rafał Milczarski. Außerdem ließen sich damit die Lärmemissionen verringern, die in der Gegend des nur sieben Kilometer vom Warschauer Stadtzentrum entfernten Chopin-Airports langsam unzumutbar werden.

Die Bewohner von Baranów sind indes alles andere als begeistert. »Die Idee ist keineswegs neu, noch vor der Wende wurde die Gegend von Bauingenieuren inspiziert«, meint Robert Sadkowski, ein »Bauer aus Berufung«, wie er selbst sagt. In der Nähe sind eine Autobahn und ein Verkehrsknotenpunkt. »Einige von uns werden sicherlich umziehen müssen. Das ist schade, denn viele Landwirte haben sich hier über Jahrzehnte mühsam ihre Existenz aufgebaut.«

Der Flughafen »Solidarność«, so der angedachte Name, wäre nur ein Teil eines Rieseninfrastrukturprojekts mit über 1000 Kilometern neuen Bahnstrecken, die eine Anfahrt unter zwei Stunden aus allen Regionen ermöglichen sollen. Die Regierung spricht von einem »zentralen Drehkreuz«, das den Verkehr »revolutionieren« werde.

Einige Medienvertreter sind da weitaus skeptischer. »Premier Mateusz Morawiecki wollte in seiner kurzen Amtszeit bereits einen Kanal durch die Weichselnehrung ausheben, ein Kernkraftwerk errichten und Millionen Elektroautos produzieren. Nichts davon ist geschehen«, erklärt »Newsweek«-Redakteur Wojciech Cieśla. Auch das anvisierte Datum der Eröffnung hält er für unrealistisch wie übrigens auch die Baukosten. Zudem werde die EU das Projekt kaum unterstützen, sodass erneut der polnische Steuerzahler belastet werde.

Vor den Kommunalwahlen im Herbst wurde der Airport zum Wahlkampfthema. »Der CPK ist schlicht unsinnig, wenn man bedenkt, dass nur einige Hundert Kilometer entfernt ein Großflughafen in Berlin entsteht«, so Rafał Trzaskowski (Bürgerplattform/PO), Bürgermeisterkandidat in Warschau. Andererseits hat schon sein Parteikollege Cezary Grabarczyk, einst Verkehrsminister der Regierung Tusk, das Projekt beworben und die Konkurrenzstellung zum im Bau befindlichen BER mehrfach betont.

In der Tat wäre der CPK wohl dessen größter Mitbewerber in Mitteleuropa. Mit 41 Millionen Passagieren wäre die Kapazität des 2020 in Betrieb gehenden Berliner Airports beinah um die Hälfte niedriger als beim Warschauer Äquivalent. Jedoch will der CPK die 100-Millionen-Marke erst nach 2030 knacken, zunächst soll das Passagieraufkommen bis zu 45 Millionen Personen erreichen. Momentan ist der Londoner Heathrow-Flughafen mit 78 Millionen Passagieren europäischer Spitzenreiter.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.