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Surf-Camp in Afghanistan
Zwei Deutsche und drei Wellen in Pandschir - es ging um mehr als Abenteuer und Sport
Die allererste afghanische Welle, die einen Surfer sieht, bricht sich im engen Pandschir-Tal nördlich von Kabul unter einer Brücke. »Wir hatten sie schon aus 300 Metern Entfernung entdeckt«, sagt Afridun Amu. »Das Wasser schoss über eine Schräge hinunter. Es war keine perfekte Welle, und die Strömung war gefährlich, aber wir wollten’s endlich ausprobieren.« Sofort kamen die Zuschauer. Am Ende wechselten sich 50 Afghanen mit dem Sicherheitsseil ab. Es herrscht Krieg im Land, die Taliban sind auf dem Vormarsch und einer der Abenteurer hat Dauerdurchfall - aber nach drei Jahren Vorbereitung haben zwei Deutsche und ein Kanadier das Wellenreiten nach Afghanistan gebracht.
Eine gute Woche lang waren die Hobbysurfer Afridun Amu (Berliner Jurist mit afghanischen Wurzeln, 30), Bene Di-Qual (bayerischer Bauingenieur, 34) und der kanadische Flusswellenexperte Jacob Kelly (34) gerade im Pandschir-Tal unterwegs, denn Surfen oder Wellenreiten, das geht nicht nur auf dem Meer. Fünf Flussbretter, die kürzer und stärker sind als Meeresbretter, hatten sie dabei auf einem Lastwagen, außerdem zwei Männer mit Waffen. Seit Sonntag sind sie wieder in Deutschland. Vorher wollten sie die Reise geheimhalten.
Es ging dabei um mehr als Sport und Abenteuer. Amu, dessen Eltern 1992 vor einem Krieg nach Deutschland geflohen waren, hat als Jurist für die Max-Planck-Stiftung für Frieden und Rechtsstaatlichkeit an Afghanistan-Projekten gearbeitet und kennt das Land. »Ich will, was da abgeht, nicht schönreden«, sagt er. »Aber für mich ist Afghanistan mehr als der Krieg. Da gibt es einzigartige Landschaften, jahrhundertelang gelebte Gastfreundschaft für Reisende und Suchende, und das möchte ich erleben und erlebbar machen.«
2017 war Amu als erster Surfer für Afghanistan bei der WM in Biarritz gestartet. Damals hatte er gesagt, dass er mit seinem Verein »Wave Riders Association of Afghanistan« im Land ein Jugendteam aufbauen wolle. Diesmal sagt er: »2020 wird Surfen zum ersten Mal olympisch und es wäre stark, wenn wir es hinbekommen, Surfer aus Afghanistan für 2024 zu trainieren.« Klar, Afghanistan habe andere Sorgen. Trotzdem. Es habe was damit zu tun, Perspektiven anzubieten: »Sport bedeutet den Afghanen sehr viel. Sport gibt Freude und Kraft und das brauchen die Menschen auch.«
Der Pandschir-Trip war Teil der Idee vom Surf-Camp Afghanistan. Er sollte zeigen, ob es genug sichere Orte und gute Wellen gibt. Es ging besser als erwartet - mithilfe von Ganzkörper-Neopren (bloß keine Haut zeigen im konservativen Land) und Fingerspitzengefühl. Vom Haus eines befreundeten Würdenträgers auf 2500 Metern Höhe aus fuhren die Surfer über Dreckpisten den Fluss hinauf und haben Wellen ausgekundschaftet. Pandschir, das ethnisch homogen und durch enge Pässe abgeschottet ist, gilt als einigermaßen sicher. »Und die meisten Reaktionen waren toll. Aber da waren auch einige Menschen sehr misstrauisch«, sagt Bene Di-Qual.
Für ihn war die Reise eine zweifache Offenbarung. Da waren die Wellen. Di-Qual ist an der Entwicklung von künstlichen Flusswellen beteiligt, wie sie es in München am Eisbach gibt. Er überlegt, wie man für die Jugend im Fluss eine sichere kleine Welle zum Üben einrichten könnte. »Da ist unglaubliches Potenzial. Das Pandschir-Tal ist sehr lang und hat ein starkes Gefälle. Da sind während der Eisschmelze viele Weißwasserwalzen, Stufen, Wellen. Tolle Wildwassergegebenheiten! Sportlich total interessant.« Gleichzeitig habe die Reise sein Bild von Afghanistan verändert. »In Deutschland ist so oft die Rede vom sicheren Herkunftsland und dass man Flüchtlinge dahin zurückschicken kann, aber jede Unterhaltung hat mir gezeigt: Das Gefühl von Sicherheit hat kein Mensch hier. Manche haben sich geschämt, Waffen tragen zu müssen. Das ist mir sehr nahe gegangen.«
Letztlich sind die Surfer drei afghanische Wellen geritten. »Da wäre noch mehr gegangen, aber die Zeit hatten wir nicht mehr«, sagt Amu. Doch die ersten Schritte, um den Sport zu etablieren, seien getan. Afghanische Surfer bei Olympia 2024 - »ganz so verrückt klingt die Idee jetzt nicht mehr«. dpa/nd
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